Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: Landesarbeitsgericht Hamm, Arbeitsgericht Hamburg, Arbeitsgericht Bochum, Arbeitsgericht Elmshorn und Arbeitsgericht Neumünster – Deutschland. Vorabentscheidungsverfahren. Zuständigkeit des Gerichtshofes. Verpflichtung zur Entscheidung. Ablehnung einer Entscheidung mit der Begründung, es könnte eine Regelungslücke im nationalen Recht entstehen, wenn das nationale Gericht die Konsequenzen aus dem Gemeinschaftsrecht ziehe. Ausschluß. Sozialpolitik. Männliche und weibliche Arbeitnehmer. Gleiches Entgelt. Nationale Vorschrift, die sowohl für Teilzeitbeschäftigte als auch für Vollzeitbeschäftigte die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur bei Überschreiten der für die letzteren festgelegten Regelarbeitszeiten vorsieht. Zulässigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn die Fragen, die das vorlegende Gericht ° das die besten Voraussetzungen besitzt, um unter Berücksichtigung der Besonderheiten der ihm vorliegenden Rechtssache zu entscheiden, ob für den Erlaß seines Urteils die Einholung einer Vorabentscheidung erforderlich ist ° dem Gerichtshof stellt, die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden. Insbesondere kommt es für ihn nicht in Betracht, dem vorlegenden Gericht die von diesem benötigten gemeinschaftsrechtlichen Hinweise unter dem Vorwand zu verweigern, daß dieses Gericht aufgrund der Antwort des Gerichtshofes gewisse nationale Bestimmungen aufheben und dadurch eine Regelungslücke in der innerstaatlichen Rechtsordnung schaffen könnte.
2. Artikel 119 des Vertrages und Artikel 1 der Richtlinie 75/117 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen verbieten es nicht, daß ein Tarifvertrag die Zahlung von Überstundenzuschlägen sowohl für die Teilzeitbeschäftigten als auch für die Vollzeitbeschäftigten nur bei Überschreiten der tarifvertraglich festgelegten Regelarbeitszeit, nicht jedoch bei Überschreiten der in den Einzelarbeitsverträgen festgelegten Arbeitszeit vorsieht.
Diese Bestimmungen bewirken nämlich keine Ungleichbehandlung zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten, da die Teilzeitbeschäftigten für die gleiche Anzahl geleisteter Arbeitsstunden die gleiche Gesamtvergütung erhalten wie die Vollzeitbeschäftigten und zwar sowohl, wenn die Schwelle der tarifvertraglich festgesetzten Regelarbeitszeit nicht überschritten wird, als auch, wenn über diese hinausgehende Stunden geleistet werden, da die Überstundenzuschläge im letztgenannten Fall allen Gruppen von Arbeitnehmern zugute kommen.
Normenkette
EWGVtr Art. 177, 119; EWGRL 117/75 Art. 1; BGB § 611; BeschFG Art. 1 § 2; TVG § 1
Beteiligte
Deutsche Angestellten-Krankenkasse |
Arbeiter-Samariter-Bund Landverband Hamburg eV |
Tenor
Artikel 119 EWG-Vertrag und Artikel 1 der Richtlinie 75/117/EWG vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen verbieten es nicht, daß ein Tarifvertrag die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur bei Überschreiten der tarifvertraglich für Vollzeitbeschäftigte festgelegten Regelarbeitszeit vorsieht.
Gründe
1 Das Landesarbeitsgericht Hamm, das Arbeitsgericht Hamburg, das Arbeitsgericht Elmshorn, das Arbeitsgericht Bochum und das Arbeitsgericht Neumünster haben mit sechs Beschlüssen vom 22. Oktober, 4. und 6. November, 18. Dezember 1992, 21. Januar und 1. Februar 1993 gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des Artikels 119 EWG-Vertrag und der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19, im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und ihren Arbeitgebern. Diese Arbeitnehmerinnen verlangen für Überstunden, die sie über ihre individülle Arbeitszeit hinaus erbracht haben, die Zahlung von Gehaltszuschlägen in derselben Höhe, wie sie für Überstunden gezahlt werden, die von Vollzeitbeschäftigten über die Regelarbeitszeit hinaus geleistet werden. Die geltenden Tarifverträge verleihen jedoch Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten einen Anspruch auf Zuschläge nur für Überstunden, die über die in diesen Tarifverträgen festgesetzte Regelarbeitszeit hinaus geleistet werden, ohne den Teilzeitbeschäftigten einen Anspruch auf Zuschläge für Überstunden zu gewähren, die über ihre individülle Arbeitszeit hinaus erbracht werden.
3 Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren sind der Auffassung, daß die fraglichen Bestimmungen der Tarifverträge eine gegen Artikel 119 EWG-Vertrag...