Entscheidungsstichwort (Thema)

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN' S BENCH DIVISION, DIVISIONAL COURT – VEREINIGTES KOENIGREICH. GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN. BEFREIUNG VON DER REZEPTGEBUEHR. SACHLICHER ANWENDUNGSBEREICH DER RICHTLINIE 79/7/EWG. ZUSAMMENHANG MIT DEM RENTENALTER. ZEITLICHE WIRKUNGEN DES URTEILS. Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Sachlicher Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7. Gesetzliches System, unter dem bestimmte Personengruppen von der Entrichtung der Rezeptgebühr befreit sind. Einbeziehung. Richtlinie 79/7. Ausnahme für etwaige Auswirkungen des Bestehens unterschiedlicher Rentenalter auf andere Leistungen. Tragweite. Beschränkung auf Diskriminierungen, die notwendig und objektiv mit dem unterschiedlichen Rentenalter verbunden sind. Diskriminierung im Bereich der Befreiung von der Rezeptgebühr. Ausschluß. Vorabentscheidungsverfahren. Auslegung. Zeitliche Wirkung von Auslegungsurteilen. Rückwirkung. Begrenzung durch den Gerichtshof. Voraussetzungen. Urteil betreffend die Auslegung der Richtlinie 79/7 über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Nicht erfüllte Voraussetzungen. Bedeutung der sich aus dem Urteil ergebenden finanziellen Konsequenzen für den betreffenden Mitgliedstaat. Kein entscheidendes Kriterium

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit fällt ein gesetzliches System, unter dem bestimmte Personengruppen, darunter bestimmte ältere Menschen, von der Entrichtung der Rezeptgebühr befreit sind, in den Anwendungsbereich der Richtlinie.

Denn ein solches System gewährt, auch wenn es formell nicht Teil von nationalen Vorschriften über die soziale Sicherheit ist, den Leistungsberechtigten tatsächlich Schutz gegen das in dieser Vorschrift aufgeführte Risiko der Krankheit.

2. Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit gestattet es einem Mitgliedstaat, der gemäß dieser Vorschrift das Rentenalter für Frauen auf 60 Jahre und für Männer auf 65 Jahre festgesetzt hat, nicht, darüber hinaus Frauen vom vollendeten 60. Lebensjahr, Männer dagegen erst vom 65. Lebensjahr an von der Rezeptgebühr zu befreien.

Diese Diskriminierung hinsichtlich der Rezeptgebühr ist nämlich nicht notwendig und objektiv mit dem unterschiedlichen Rentenalter verbunden. Denn zum einen ist sie nicht unter dem Gesichtspunkt des finanziellen Gleichgewichts für das Rentensystem erforderlich, insbesondere, da es keinen unmittelbaren Einfluß auf das finanzielle Gleichgewicht von beitragsabhängigen Rentensystemen hat, wenn Personen, bei denen bestimmte Risiken eingetreten sind, ungeachtet ihrer Ansprüche auf Altersrenten nach Maßgabe von Beitragszeiten Leistungen im Rahmen von beitragsfreien Systemen gewährt werden, und dies offensichtlich auch nicht in bezug auf das System der sozialen Sicherheit insgesamt der Fall ist. Zum anderen ist sie nicht unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz zwischen dem Rentensystem und den anderen Systemen notwendig, denn die altersbedingte Erhöhung der Krankheitskosten kann zwar eine Befreiung von der Rezeptgebühr von einem bestimmten Alter an rechtfertigen, diese Vergünstigung muß aber nicht unbedingt bei Eintritt des ° nach dem Geschlecht unterschiedlich festgesetzten ° Rentenalters gewährt werden, das nicht zwangsläufig auch das Alter ist, mit dem die Berufstätigkeit tatsächlich endet und das Einkommen entsprechend sinkt.

3. Durch die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Artikel 177 des Vertrages vornimmt, wird erforderlichenfalls erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinn und mit welcher Bedeutung diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, daß die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden können und müssen, die vor Erlaß des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann sich der Gerichtshof nur ausnahmsweise aufgrund des der Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnenden allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit veranlasst sehen, mit Wirkung für alle Betroffenen die Möglichkeit zu beschränken, sich auf die von ihm einer Bestimmung gegebene Auslegung zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen.

Es besteht kein Anlaß für den Gerichtshof, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn es sich um ein Urteil handelt, nach dem die Ausnahme von der Gleichbehandlung von Männern ...

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