Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht betreffend das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger. Nationales Recht und nationale Verwaltungspraxis in Bezug auf das Vorhandensein ausreichender eigener Existenzmittel und auf Ausweisungsverfügungen

 

Beteiligte

Kommission / Belgien

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Königreich Belgien

 

Tenor

1.

  1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 18 EG und der Richtlinie 90/364 verstoßen, dass es bei der Anwendung dieser Richtlinie auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die sich auf ihre Rechte aus der Richtlinie und Artikel 18 EG berufen wollen, die Einkünfte eines im Aufnahmemitgliedstaat wohnenden Partners nicht berücksichtigt, sofern keine notarielle Vereinbarung mit einer Beistandsklausel geschlossen wurde.
  2. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 2 der Richtlinie 90/364, Artikel 4 der Richtlinie 68/360, Artikel 4 der Richtlinie 73/148, Artikel 2 der Richtlinie 93/96 und Artikel 2 der Richtlinie 90/365 verstoßen, dass es die Möglichkeit vorsieht, Unionsbürgern, die die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Papiere nicht fristgerecht vorgelegt haben, ohne weitere Prüfung eine Ausweisungsverfügung zuzustellen.

2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 30. September 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und D. Martin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Belgien, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch C. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von E. Sharpston, QC,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Schiemann (Berichterstatter) und J. Makarczyk sowie der Richter J.-P. Puissochet, R. Schintgen, P. Kūris, J. Klučka, U. Lõhmus, E. Levits und A. Ó Caoimh,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Oktober 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass das Königreich Belgien

  • dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 18 EG und der Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (ABl. L 180, S. 26) verstoßen hat, dass es das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger davon abhängig macht, dass sie über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen;
  • dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 2 der Richtlinie 90/364, Artikel 4 der Richtlinie 68/360/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 13), Artikel 4 der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs (ABl. L 172, S. 14), Artikel 2 der Richtlinie 93/96/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten (ABl. L 317, S. 59) und Artikel 2 der Richtlinie 90/365/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen (ABl. L 180, S. 28) verstoßen hat, dass es die Möglichkeit vorsieht, Unionsbürgern, die die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Papiere nicht fristgerecht vorgelegt haben, ohne weitere Prüfung eine Ausweisungsverfügung zuzustellen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 90/364 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten gewähren den Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen das Aufenthaltsrecht nicht aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zuerkannt ist, sowie deren Familienangehörigen nach der Definition von Absatz 2 unter der Bedingung das Aufenthaltsrecht, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmemitgliedstaat alle Risiken abdeckt, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen.”

3 Artikel 2 Absatz 1 dieser Richtlinie lautet:

„Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts wird eine Bescheinigung, die ‚Aufenthaltserlaubnis für Staatsa...

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge