Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Gewährung von Altersrente. Zurücklegung von Kindererziehungszeit
Normenkette
EGV a.F. Art. 8a, 48
Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Tenor
Die zuständige Einrichtung eines Mitgliedstaats hat nach den Artikeln 8a, 48 und 51 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 18 EG, 39 EG und 42 EG) Kindererziehungszeiten, die eine zur Zeit der Geburt des Kindes als Grenzgänger in diesem Mitgliedstaat beschäftigte und in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte Person in Letzterem zurückgelegt hat, für die Gewährung der Altersrente wie im Inland zurückgelegte Zeiten anzurechnen.
Gründe
1.
Das Bundessozialgericht hat mit Beschluss vom 24. Februar 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 19. April 1999, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung von Artikel 51 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 42 EG) und der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung (nachfolgend: Verordnung Nr. 1408/71), zur maßgeblichen Zeit insbesondere geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 (ABl. L 206, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Elsen (nachfolgend: Klägerin) und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (nachfolgend: Beklagte) wegen deren Weigerung, die Zeit, in der die Klägerin ihr Kind in Frankreich erzogen hat, im Hinblick auf die Leistungen bei Alter einer Kindererziehungszeit im Sinne des deutschen Sozialrechts gleichzustellen.
Deutsches Recht
3.
§ 56 Absatz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs vom 18. Dezember 1989 (SGB VI) bestimmt in der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung:
Für Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren gelten Pflichtbeiträge als gezahlt. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn
- die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
- die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
- der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
4.
§ 249 SGB VI reduziert die Beitragszeiten wegen Kindererziehung für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder von drei Jahren auf zwölf Kalendermonate.
5.
Hinsichtlich der im Ausland zurückgelegten Erziehungszeiten bestimmt § 56 Absatz 3 Satz 2 SGB VI: Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat.
6.
Außerdem heißt es in § 57 SGB VI:
Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen.
7.
Im Übrigen bestimmt § 6 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz – MuSchG) in der Fassung vom 17. Januar 1997 (BGBl. I S. 22):
Wöchnerinnen dürfen bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden.
8.
Nach § 1 MuSchG ist § 6 jedoch nur auf Frauen anwendbar, die erwerbstätig sind.
9.
Schließlich haben Arbeitnehmer nach § 15 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz – BErzGG) Anspruch auf Erziehungsurlaub bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes, das nach dem 31. Dezember 1991 geboren ist, wenn sie
- mit einem Kind, für das ihnen die Personensorge zusteht, … in einem Haushalt leben und
- dieses Kind selbst betreuen und erziehen …
Gemeinschaftsrecht
10.
Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 drückt den Grundsatz der Gleichbehandlung aus:
Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.
11.
Artikel 10 Absatz 1 Unterabsatz 1 dieser Verordnung bestimmt:
Die Geldleistungen bei Invalidität, Alter …, auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten Anspruch erworben worden ist, dürfen, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, nicht deshalb gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates wohnt, in dessen Geb...