Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Gebot der Gewährung des Ehegattensplitting bei Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Ausland, kein Gebot der Gewährung von Vermögensteuerfreibeträgen bei Zusammenveranlagung, höhere Steuerbelastung beschränkt steuerpflichtiger Staatsangehöriger zulässig
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt nicht gegen Artikel 52 EWG-Vertrag, wenn ein Mitgliedstaat eigenen Staatsangehörigen, die ihre Berufstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ausüben und die ausschließlich oder fast ausschließlich dort ihre Einkünfte erzielen oder ihr Vermögen besitzen, dann, wenn sie nicht im Inland wohnen, eine höhere Steuerbelastung auferlegt, als wenn sie dort wohnen.
Normenkette
EWGVtr Art. 52
Beteiligte
Finanzamt Aachen-Innenstadt |
Verfahrensgang
Tatbestand
STEUERN - WOHNSITZ DES STEUERPFLICHTIGEN
RECHTSSACHE C-112/91
HANS WERNER
GEGEN
FINANZAMT AACHEN-INNENSTADT
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT KOELN ‐ DEUTSCHLAND
Urteil
1 Das Finanzgericht Köln (Bundesrepublik Deutschland) hat mit Beschluß vom 10. Januar 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 15. April 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Bestimmungen des EWG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit und über das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zur Vorabentscheidung vorgelegt, um beurteilen zu können, ob zwei nationale gesetzliche Regelungen auf dem Gebiet der Einkommensteuer und dem der Vermögensteuer, nach denen Steuerpflichtige, je nachdem, ob sie im Inland einen Wohnsitz haben oder nicht, unterschiedlich behandelt werden, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Hans Werner (Kläger) und dem Finanzamt Aachen-Innenstadt (Beklagter) über die Voraussetzungen für die Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz und dem Vermögensteuergesetz.
3 Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Hingegen sind nach § 1 Absatz 4 Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nur hinsichtlich ihrer inländischen Einkünfte einkommensteuerpflichtig. Gemäß § 49 Absatz 1 Nr. 3 sind inländische Einkünfte in diesem Sinne unter anderem Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt wird oder worden ist. Im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht gilt für Ehepaare ein Vorzugstarif, der sogenannte Splitting-Tarif. Außerdem können die Steuerpflichtigen von ihren steuerpflichtigen Einkünften bestimmte Ausgaben, wie ihre Beiträge zu Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen, zu den gesetzlichen Rentenversicherungen und an die Bundesanstalt für Arbeit, ihre Unterhaltsleistungen, einen Teil der an Bausparkassen geleisteten Beiträge, Kirchensteuer, bestimmte Aufwendungen für ihre Berufs- oder Weiterbildung abziehen. Diese Vorteile werden beschränkt Steuerpflichtigen nicht gewährt. Außerdem gelten für diese teilweise andere Steuersätze.
4 Entsprechende Bestimmungen finden sich im Vermögensteuergesetz. Dieses Gesetz sieht für unbeschränkt Steuerpflichtige besondere Freibeträge vor, insbesondere im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten oder wenn Kinder mit einem von ihnen zusammen veranlagt werden. Diese Vorteile werden beschränkt Steuerpflichtigen nicht gewährt.
5 Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und wohnt seit 1961 mit seiner Ehefrau in den Niederlanden. Wie sich aus den Erklärungen der Parteien ergibt, besitzt er die nach deutschem Recht für die Ausübung des Zahnarztberufs erforderlichen Zeugnisse und Qualifikationen. Bis Oktober 1981 übte er diese Tätigkeit als Arbeitnehmer bei einer berufsständischen Vereinigung in Aachen aus. Anschließend ließ er sich, ebenfalls in Aachen, als selbständiger Zahnarzt nieder. Seine Einkünfte stammen ausschließlich aus dieser Tätigkeit.
6 Bei der Festsetzung der Steuer für das Jahr 1982 sah der Beklagte den Kläger hinsichtlich der Einkommensteuer und der Vermögensteuer als beschränkt Steuerpflichtigen an, da dieser keinen Wohnsitz in Deutschland hatte.
7 Der Kläger, der das Ehegatten-Splitting im Rahmen der Einkommensteuer und die Freibeträge im Rahmen der Vermögensteuer in Anspruch nehmen wollte, legte daraufhin gegen die beiden Steuerbescheide Einsprüche beim Beklagten ein. Er machte geltend, die deutschen Steuervorschriften verstießen gegen Artikel 52 EWG-Vertrag. Diese Einsprüche wurden vom Beklagten zurückgewiesen. Daraufhin erhob der Kläger Klage beim Finanzgericht Köln.
8 Dieses Gericht hat es für erforderlich gehalten, die folgenden drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 7 und 52 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1) Erschöpft sich die Reichweite des Artikel 52 EWG-Vertrag in dem Gebot der Inländerbehandlung von EG-Ausländern, oder beinhaltet er darüber hinaus ein Verbot von Beschränkungen der freien Niederlassung?
2) Für den Fall, daß Artikel 52 EWG-Vertrag Beschränkungen der...