Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Diskriminierungsverbot. Ehemalige Fremdsprachenlektoren. Anerkennung der erworbenen Rechte

 

Beteiligte

Kommission / Italien

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Italienische Republik

 

Tenor

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) verstoßen, dass sie nicht für die Anerkennung der von den ehemaligen Fremdsprachenlektoren, die jetzt als muttersprachliche sprachwissenschaftliche Mitarbeiter und Experten tätig sind, erworbenen Rechte gesorgt hat, obwohl allen inländischen Arbeitnehmern eine solche Anerkennung zuteil wird.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-212/99

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. J. Kuijper und E. Traversa als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von C. Lewis, Barrister, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von G. Aiello, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) verstoßen hat, dass nach der Verwaltungs- und Vertragspraxis einiger öffentlicher Universitäten die von den ehemaligen Fremdsprachenlektoren erworbenen Rechte nicht anerkannt werden, obwohl allen inländischen Arbeitnehmern diese Anerkennung zuteil wird,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann sowie des Richters J.-P. Puissochet, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric und des Richters J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Beteiligten in der Sitzung vom 11. Januar 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. März 2001,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1.

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 4. Juni 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) verstoßen hat, dass nach der Verwaltungs- und Vertragspraxis einiger öffentlicher Universitäten die von den ehemaligen Fremdsprachenlektoren erworbenen Rechte nichtanerkannt werden, obwohl allen inländischen Arbeitnehmern diese Anerkennung zuteil wird.

2.

Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1999 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

Nationaler rechtlicher Rahmen

3.

Im Anschluss an die Urteile vom 30. Mai 1989 in der Rechtssache 33/88 (Allué und Coonan, Slg. 1989, 1591) und vom 2. August 1993 in den Rechtssachen C-259/91, C-331/91 und C-332/91 (Allué u. a., Slg. 1993, I-4309) und ein erstes Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 92/4660), das die Kommission gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) eingeleitet hatte, erließ die Italienische Republik das Gesetz Nr. 236 vom 21. Juni 1995 (GURI Nr. 143 vom 21. Juni 1995, S. 9, im Folgenden: Gesetz Nr. 236) zur Reform des Fremdsprachenunterrichts an italienischen Universitäten.

4.

Das Gesetz Nr. 236 enthält vier Grundregeln:

  1. Die Stellen für Fremdsprachenlektoren fallen weg und werden durch Stellen für muttersprachliche sprachwissenschaftliche Mitarbeiter und Experten (im Folgenden: sprachwissenschaftliche Mitarbeiter) ersetzt.
  2. Die sprachwissenschaftlichen Mitarbeiter werden von den Universitäten aufgrund privatrechtlicher Arbeitsverträge (und nicht mehr als Selbständige) beschäftigt; diese Verträge werden in der Regel auf unbestimmte Zeit und nur ausnahmsweise, zur Deckung eines vorübergehenden Bedarfs, befristet geschlossen.
  3. Die sprachwissenschaftlichen Mitarbeiter werden nach Durchführung eines öffentlichen Auswahlverfahrens eingestellt, dessen Modalitäten die einzelnen Universitäten festlegen.
  4. Personen, die bisher als Fremdsprachenlektor tätig waren, sind bevorzugt einzustellen und behalten überdies gemäß Artikel 4 Absatz 3 des Gesetzes Nr. 236 die im Rahmen früherer Arbeitsverhältnisse erworbenen Rechte.

5.

Im Hinblick auf die Eigenständigkeit der italienischen Universitäten gelten für den rechtlichen Status der sprachwissenschaftlichen Mitarbeiter zurzeit folgende Regelungen:

  1. das Gesetz Nr. 236 und allgemeiner das Gesetz Nr. 230 vom 18. April 1962 zur Regelung befristeter Arbeitsverträge (im Folgenden: Gesetz Nr. 230), ...

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