Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Stuttgart – Deutschland. Fernsehsendungen – Beschränkung der Sendezeit für Werbung. 1 Freier Dienstleistungsverkehr – Ausstrahlung von Fernsehsendungen – Richtlinie 89/552 – Fernsehwerbung – Zulässige Zahl von Werbeunterbrechungen bei der Übertragung audiovisüller Werke – Berechnung – Berücksichtigung der Werbedauer (Richtlinie 89/552 des Rates, Artikel 11 Absatz 3). 2 Freier Dienstleistungsverkehr – Ausstrahlung von Fernsehsendungen – Richtlinie 89/552 – Befugnis der Mitgliedstaaten, von den Vorschriften über die Werbung abzuweichen – Zulässige Zahl von Werbeunterbrechungen bei der Übertragung audiovisüller Werke – Berechnung, bei der die Werbedauer nicht einbezogen wird – Zulässigkeit – Voraussetzungen (EG-Vertrag, Artikel 5 und 85 [jetzt Artikel 10 EG und 81 EG] sowie Artikel 6 und 30 [nach Änderung jetzt Artikel 12 EG und 28 EG]; Richtlinie 89/552 des Rates, Artikel 3 Absatz 1 und 11 Absatz 3)
Leitsatz (amtlich)
1 Eine Vorschrift, die im Bereich der Dienstleistungen eine die Ausübung einer grundlegenden Freiheit betreffende Tätigkeit wie die freie Ausstrahlung von Fernsehsendungen einer Beschränkung unterwirft, muß diese Beschränkung klar zum Ausdruck bringen. Unterwirft eine Bestimmung der Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36 die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen einer Beschränkung, ohne daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Beschränkung klar und eindeutig formuliert hat, ist sie somit eng auszulegen.
Da Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie, der mehrdeutig ist, die Möglichkeit beschränkt, die Übertragung audiovisüller Werke durch Werbung zu unterbrechen, ist diese Beschränkung möglichst eng auszulegen. Das Bruttoprinzip, bei dem die Werbedauer in den für die Berechnung der zulässigen Zahl von Unterbrechungen berücksichtigten Zeitraum einzubeziehen ist, erlaubt eine grössere Zahl von Werbeunterbrechungen als das Nettoprinzip, bei dem nur die Dauer der Werke selbst einbezogen werden darf. Folglich sieht Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie das Bruttoprinzip vor. Bei der Berechnung des 45-Minuten-Zeitraums zum Zweck der Festlegung der zulässigen Zahl von Werbeunterbrechungen bei der Übertragung audiovisüller Werke wie Kinospielfilme und Fernsehfilme ist also die Werbedauer in den genannten Zeitraum einzubeziehen.
2 Artikel 11 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36 erlaubt den Mitgliedstaaten, für die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter das Nettoprinzip für Werbung vorzusehen, die in die laufenden Sendungen eingefügt werden kann, mithin zu bestimmen, daß bei der Berechnung des 45-Minuten-Zeitraums zum Zweck der Festlegung der zulässigen Zahl von Werbeunterbrechungen bei der Übertragung audiovisüller Werke wie Kinospielfilme und Fernsehfilme die Werbedauer nicht einbezogen werden darf, wobei diese Vorschriften mit sonstigen einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sein müssen.
Die Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG), 6, 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG und 28 EG) und 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) sowie der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz finden in diesem Zusammenhang keine Anwendung auf eine nationale Regelung, die die Anwendung des Nettoprinzips auf die Fernsehveranstalter vorsieht, die der Rechtshoheit des betreffenden Mitgliedstaats unterworfen sind, und nach Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 89/552 die Anwendung des Nettoprinzips vorzusehen.
Normenkette
EGVtr Art. 5 (jetzt Art. 10 EG), Art. 85 (jetzt Art. 81 EG), Art. 6 (jetzt Art. 12 EG), Art. 30 (jetzt Art. 28 EG); Richtlinie 89/552 des Rates Art. 3 Abs. 1, Art. 11 Abs. 3
Beteiligte
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rundfunkanstalten (ARD) |
Tenor
1. Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552 des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 sieht das Bruttoprinzip vor. Bei der Berechnung des 45-Minuten-Zeitraums zum Zweck der Festlegung der zulässigen Zahl von Werbeunterbrechungen bei der Übertragung audiovisüller Werke wie Kinospielfilme und Fernsehfilme ist also die Werbedauer in den genannten Zeitraum einzubeziehen.
2. Artikel 11 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 89/552 in ihrer geänderten Fassung erlaubt den Mitgliedstaaten, für die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter das Nettoprinzip für Werbung vorzuseh...