BAG, Urteil vom 29.6.2022, 6 AZR 411/21
Leitsatz (amtlich)
Ein Beschäftigter, der nach seiner Höhergruppierung der Endstufe der neuen Entgeltgruppe zugeordnet ist, erhält bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT in der im Tarifbereich der VKA bis zum 28.2.2017 geltenden Fassung einen Garantiebetrag nach dieser Tarifnorm.
Sachverhalt
Der Kläger ist seit dem 1.1.1998 bei der beklagten Stadt (Beklagte zu 1.) als Theatermeister beschäftigt. Der TVöD-VKA findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Aufgrund seines Widerspruchs gegen einen Betriebsübergang ist er bei der Beklagten zu 2., die nunmehr das vormals städtische Theater betreibt, im Wege der Personalgestellung tätig.
Bis zum 31.12.2016 erhielt der Kläger Entgelt aus der EG 9 TVöD und wurde zum 1.1.2017 in die EG 9a TVöD (VKA) übergeleitet und erhielt dort ein Entgelt aus der (End-)Stufe 6. Darüber hinaus stand ihm als persönliche Besitzstandszulage die ehemalige Meisterzulage sowie eine Vergütungsgruppenzulage zu.
Der Kläger stellte fristgerechten Antrag auf Höhergruppierung in die EG 9b TVöD-VKA rückwirkend zum 1.1.2017. Dort wurde er tarifgerecht ebenfalls der Stufe 6 zugeordnet. Während seine Besitzstände entfielen, erhielt ab dem 1.1.2017 einen tariflichen Garantiebetrag in Höhe von 92,22 Euro und ab 1.2.2017 in Höhe von 94,39 Euro.
Mit Schreiben vom 26.2.2019 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er den Garantiebetrag zu Unrecht erhalte, da ein solcher in der Endstufe einer Entgeltgruppe tariflich nicht vorgesehen sei. Diese ergebe sich aus der Regelung in § 17 Abs. 4 a. F. sowie der Regelung zur Stufenlaufzeit nach § 16 TVöD-VKA.
Der Kläger erhob Klage. Er war der Ansicht, dass nach dem tariflichen Wortlaut die Stufenlaufzeit i. S. v. § 17 Abs. 4 a. F. die Zeit sei, die in einer Stufe verbracht werde. Dies erfasse nicht nur "aktive" Stufenlaufzeiten, sondern auch Zeiten in der Endstufe einer Entgeltgruppe. § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA) regele nur, wann ein Stufenaufstieg erfolgt und enthalte aus diesem Grund keine zu den niedrigeren Stufen vergleichbare Regelung für einen weiteren Aufstieg aus der Stufe 6. Auch in der Endstufe komme dem Garantiebetrag keine Ewigkeitsgarantie zu, da dieser nicht unendlich gezahlt werde, sondern im Falle einer weiteren Höhergruppierung ende.
Die Entscheidung
Die Klage hatte gegen die Beklagte Erfolg.
Das BAG entschied, dass der tarifliche Garantiebetrag gem. § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD a. F. auch während der Zuordnung eines Beschäftigten zur Endstufe einer Entgeltgruppe des TVöD zu zahlen sei, bis er durch Entgelterhöhungen aufgezehrt werde.
Das Gericht führte hierzu aus, dass gem. § 17 Abs. 4 TVöD-AT a. F. Höhergruppierungen betragsgemäß erfolgten, d. h. der Beschäftigte derjenigen Entgeltstufe der Aufstiegsentgeltgruppe zugeordet wurde, in der er mindestens sein bisheriges Tabellenentgelt erhielt. Allerdings stand ihm nach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT a. F. ein – abhängig von der Entgeltgruppe betragsmäßig variierenden – fixen Garantiebetrag zu, da die Entgeltdifferenz zwischen der Ausgangsentgeltgruppe und der Aufstiegsentgeltgruppe einen bestimmten Wert, nämlich diesen Garantiebetrag, unterschritt. Folge davon war, dass der Beschäftigte nur hinsichtlich der Eingruppierung, nicht aber bezüglich des zu zahlenden Entgelts der neuen Entgeltgruppe und -stufe angehörte. Der höhergruppierte Beschäftigte, der Anspruch auf den Garantiebetrag hatte, erhielt somit ein Entgelt, das über dem seiner neuen Entgeltgruppe und -stufe lag.
Nach Auffassung des BAG erhalten diesen Garantiebetrag auch Beschäftigte, die in der Aufstiegsentgeltgruppe der Endstufe zuzuordnen sind. Dies ergebe die Auslegung des Tarifvertrags. Auch wenn sich dies nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT a. F. entnehmen lasse, gebiete der aus der Tarifsystematik folgende Sinn und Zweck, dass der Anspruch auf diesen Betrag auch Beschäftigten in der Endstufe ihrer Entgeltgruppe zustehe. Das Gericht führte hierzu aus, dass es Zweck der Garantiebetragsregelung sei, den im Stufenzuordnungssystem des § 17 Abs. 4 TVöD-AT a. F. angelegten potenziellen Entgeltverlust zu vermeiden, den Beschäftigten einen Mindestentgeltgewinn zu sichern und so die finanzielle Anreizwirkung einer Höhergruppierung zumindest in einem gewissen Ausmaß zu erhalten. Und dieser Anreizwirkung bedürfe es auch, wenn Beschäftigte im Falle der Höhergruppierung der Endstufe der Aufstiegsentgeltgruppe zugeordnet worden waren; denn es sei nicht ersichtlich, warum sich für diese Beschäftigtengruppe die Übernahme höherwertiger Tätigkeiten nicht im selben Umfang wie für Beschäftigte anderer Stufen finanziell lohnen solle, zumal sie weitere Entgeltsteigerungen durch nochmalige Stufenaufstiege nicht realisieren können.
Weiter führte das Gericht aus, dass auch die Regelung in § 6 Abs. 4 TVÜ-VKA nicht gegen, sondern für den Willen der Tarifvertragsparteien spreche, auch Beschäftigten in der Endstufe Anspruch auf den Garantiebetrag zu gewähren; denn diese Vorschrift enthalte Regelungen für...