1. Grundsatz der deutschen Amtssprache
[1] § 19, der im wesentlichen mit § 23 VwVfG übereinstimmt, legt fest, dass Deutsch Amtssprache ist. Die Vorschrift hat Auswirkungen für die Frage des Fristenlaufs. Unberührt bleibt über- und zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, wonach die Träger und Behörden der EG-Mitglieds- und Vertragsstaaten ihre Amtssprache im Verkehr mit deutschen Dienststellen gebrauchen dürfen; entsprechendes gilt für Antragsteller (vgl. Art. 84 Abs. 4 EWG-VO 1408/71).
[2] Der Grundsatz der deutschen Amtssprache gilt sowohl für den schriftlichen als auch den mündlichen Vortrag von Beteiligten. Auch der Schriftverkehr von der Behörde an die Beteiligten erfolgt in aller Regel in Deutsch.
2. Behandlung fremdsprachiger Anträge
[1] Bei fremdsprachigen Anträgen - insbesondere Leistungsanträgen - steht die Behörde im Spannungsverhältnis zwischen § 17 SGB I (zügige Sachbehandlung) und dem Erfordernis der notwendigen und für sie verständlichen Sachaufklärung. § 19 Abs. 2 regelt daher, wie fremdsprachige Anträge und Erklärungen zu behandeln sind. Ist die Behörde in der Lage, fremdsprachige Anträge, Schriftstücke oder Erklärungen zu verstehen, kann sie die Sachbearbeitung aufnehmen. Sie soll Erklärungen und Schriftstücke in Deutsch aktenkundig machen, damit der Fremdsprache nichtkundige Bedienstete den Fall weiterbearbeiten können. Kann die Behörde den Antrag nicht übersetzen, dann soll sie die Vorlage einer Übersetzung innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Dies liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Denkbar wäre auch die Hinzuziehung eines Ausländers, der Deutsch spricht, oder die Einschaltung konsularischer Hilfe.
[2] Die Vorlage einer Übersetzung wird erforderlich sein, wenn diese Möglichkeiten nicht ausreichen. Eine Übersetzung braucht nicht durch einen öffentlich bestellten Dolmetscher erfolgen, wenn sie verständlich und sachgemäß ist. Die Frist zur Vorlage der Übersetzung muss angemessen sein, damit der Ausländer einen geeigneten Übersetzer finden kann.
[3] Wird die Frist nicht eingehalten, kann die Behörde die Übersetzung selbst anfertigen lassen und die Kosten in angemessenem Umfang vom Antragsteller verlangen. Kriterien für die Angemessenheit der Kosten können die Leistungsfähigkeit des Antragstellers, der Wert und die Bedeutung der Sache sein. Die Behörde kann die Entschädigung mit den Übersetzern selbst vereinbaren; auf deren Antrag hat sie unter entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zu entschädigen.
[4] Aus § 19 Abs. 2 ergibt sich, dass die Behörde fremdsprachige Anträge und Erklärungen nicht zurückweisen kann, sondern immer zu behandeln hat. Sie kann insbesondere nicht unter Berufung auf die deutsche Amtssprache den Antrag unbearbeitet lassen. Ebenso ist ihr insoweit in aller Regel der Verweis auf die §§ 60, 66 SGB I - Leistungsverweigerung wegen fehlender Mitwirkung - verwehrt; § 19 Abs. 2 geht mit seiner Verpflichtung, notfalls selbst eine Übersetzung zu beschaffen, vor.
3. Fristen
[1] Soll nach § 19 Abs. 3 durch eine Anzeige, einen Antrag oder die Abgabe einer Willenserklärung eine Frist in Lauf gesetzt werden, innerhalb der die Behörde tätig werden muss, beginnt diese Frist erst in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Behörde eine Übersetzung vorliegt. Maßgeblich ist der Eingangsstempel auf der Übersetzung, die vom Beteiligten beigebracht bzw. von der Behörde angefordert wurde.
[2] Der Grundsatz des § 19 Abs. 3 gilt nur, wenn eine Übersetzung i.S.d. § 19 Abs. 2 vom Beteiligten verlangt bzw. von der Behörde angefordert wurde. Hat die Behörde den Antrag selbst übersetzt bzw. die Verhandlungen in der fremden Sprache geführt, so beginnt die Frist mit der Stellung des Antrages in der fremden Sprache.
[3] Eine fremdsprachige Anzeige, ein Antrag oder eine Willenserklärung, die eine Frist gegenüber einer Behörde wahren soll, ein Antrag auf eine Sozialleistung oder eine Willenserklärung wirken vom Zeitpunkt des Eingangs bei der Behörde an, wenn diese sie übersetzen kann.
[4] Kann die Behörde nicht übersetzen, gilt der Antrag oder die Willenserklärung zu dem Zeitpunkt als gestellt oder abgegeben, zu dem eine Übersetzung nach Absatz 2 vorgelegt wird. Dies gilt nur, wenn bei der Anforderung einer Übersetzung nach § 19 Abs. 2 auf die Rechtsfolgen hinsichtlich der Fristsetzung hingewiesen wird.