Bei einer rechtmäßigen Arbeitskampfmaßnahme handeln die die Arbeit niederlegenden Beschäftigten nicht arbeitsvertragswidrig. Durch die kollektive Arbeitsniederlegung wird das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ruhen für die Dauer der Beteiligung an der Arbeitskampfmaßnahme. Dies gilt unabhängig davon, ob der oder die die Arbeit niederlegende Beschäftigte Mitglied einer Gewerkschaft ist.

  1. Stilllegung

    In der Reaktion auf einen Arbeitskampf, der die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber unmittelbar selbst betrifft, ist sie/er frei. Möglich ist die Stilllegung der unmittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Dienststelle bzw. des Dienststellenteils. In diesem Fall müssen arbeitswillige Beschäftigte nicht weiterbeschäftigt werden (BAG vom 22. März 1994 – 1 AZR 622/93 = AP Nr. 130 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1994 S. 512 – und vom 31. Ja-nuar 1995 – 1 AZR 142/94 = AP Nr. 135 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1995 S. 551 –).

    Die Möglichkeit der Stilllegung mit der Folge der Entgeltsuspendierung besteht aber nur, wenn die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber gegenwärtig und unmittelbar von einem Streik betroffen ist. Vorbeugende Maßnahmen, die über die reine Gegenwehr hinausgehen und damit den Rahmen des Arbeitskampfes erweitern, sind nicht zulässig und suspendieren die Entgeltverpflichtung nicht. Im Kern wäre ein solches Vorgehen eine Aussperrung, die aber an besondere Voraussetzungen gebunden ist (BAG vom 15. Dezember 1998 – 1 AZR 289/98 = AP Nr. 154 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1999 S. 312 -).

    Die die Arbeitsverhältnisse suspendierende Stilllegung bedarf einer Erklärung der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers. Diese Erklärung muss sich an die betroffenen Beschäftigten richten. Eine Erklärung gegenüber der Gewerkschaft ist weder erforderlich noch ausreichend. An einer Stilllegungserklärung fehlt es, solange sich die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber nicht festlegt, sondern die rechtliche Möglichkeit offenhält, die Arbeitsleis-tung jederzeit in Anspruch zu nehmen. Die (Weiter-) Beschäftigung von Beamtinnen und Beamten steht einer Stilllegungserklärung nicht entgegen (BAG vom 11. Juli 1995 – 1 AZR 63/95 = NZA 1996 S. 214 –). Wird die Dienststelle bzw. der Dienststellenteil nicht stillgelegt, müssen arbeitswillige Beschäftigte grundsätzlich weiterbeschäftigt werden. Diese Verpflichtung entfällt jedoch, wenn wegen der Auswirkungen der Arbeitskampfmaßnahme eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Aufgabenstellung der Dienststelle bzw. des Dienststellenteils nicht mehr möglich oder nicht mehr zumutbar ist (BAG vom 14. Dezember 1993 – 1 AZR 550/93 = AP Nr. 129 zu Art. 9 GG Arbeitskampf – und vom 11. Juli 1995 – 1 AZR 63/95 und 1 AZR 161/95 = NZA 1996 S 214 und S. 209 –).

    Im Übrigen setzt eine Stilllegung nicht voraus, dass der Betrieb der Dienststelle vollständig zum Erliegen kommt. Unbenommen ist die Möglichkeit, Notstands-und Erhaltungsmaßnahmen durch Dritte durchführen zu lassen. Auch in diesem Fall verbleibt es bei der Wirksamkeit der Stilllegung mit der Folge der Suspendierung des Lohnzahlungsanspruchs der Arbeitnehmer. Zu beachten ist allerdings, dass sich der Einsatz der Drittbeschäftigten auf diese Notstands-und Erhaltungsmaßnahmen be-grenzen muss. Dies ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn auf diese Weise der Betrieb der Dienststelle in vollem Umfang aufrechterhalten wird (BAG vom 13.12.2011 – 1 AZR 495/10=NZA 2012, 995).

  2. Entgeltzahlungsverpflichtung

    Das als Anlage 5 beigefügten "Rundschreiben/Mitarbeiterbrief" enthält den Hinweis

    "Beschäftigte, die sich an Arbeitskampfmaßnahmen nicht beteiligen, werden solange wie möglich beschäftigt."

    Wenn in der Dienststelle zusätzlich Listen ausgelegt werden, in die sich arbeitswillige Beschäftigte täglich eintragen sollen, wird das zusammen mit dem Hinweis vom BAG als mögliches Indiz für einen Fortführungswillen der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers gewertet. Gibt es in diesem Fall kein eindeutiges Verhalten, das auf die Einstellungsabsicht hinweist, wird ein Fortführungswille angenommen (BAG vom 11. Juli 1995 – 1 AZR 63/95 = AP Nr. 138 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1996 S. 180 sowie 1 AZR 161/95 = AP Nr. 139 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1996 S. 178 –).

    Wenn daher der Hinweis im Mitarbeiterschreiben verwendet und Listen ausgelegt werden, sollte sofort eine eindeutige Erklärung der Betriebseinstellung erfolgen, sobald die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber selbst und unmittelbar von einer Arbeitskampfmaßnahme betroffen ist und die Aufrechterhaltung des Dienststellenbetriebs für sinnlos hält. Ansonsten könnten Entgeltansprüche der arbeitswilligen Beschäftigten unabhängig von ihrer tatsächlichen Beschäftigung entstehen. Die gerichtliche Überprüfung einer – dann voraussichtlich zwischen den Parteien streitigen – Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung birgt erhebliche prozessuale Risiken und ist in ihrem Ergebnis kaum prognostizierbar.

    Nach Beendigung der Arbeitskampfmaßnahme besteht für die Beschäftigten ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung, es se...

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