Die Teilnahme von Auszubildenden an Arbeitskämpfen ist jedenfalls dann zulässig, wenn Tarifverhandlungen (auch) Forderungen der Gewerkschaften nach verbesserten Ausbildungsbedingungen zum Gegenstand haben.[1]

Dies gilt insbesondere für die Tarifrunden des öffentlichen Dienstes, in denen die Gewerkschaften eine allgemeine Anhebung der Ausbildungsentgelte fordern. Was tarifvertraglich regelbar ist, muss letztlich auch durch Arbeitskampf durchgesetzt werden können.

Die rechtmäßige Teilnahme von Auszubildenden an einem Arbeitskampf führt zur Suspendierung der Hauptpflichten aus dem Ausbildungsverhältnis[2]. Auszubildende sind aufgrund ihrer Streikteilnahme nicht mehr zur Leistung von Arbeit verpflichtet. In dem entsprechenden Umfang verlieren sie ihren Anspruch auf die Zahlung des Ausbildungsentgelts.

Wird aufgrund von Arbeitskampfmaßnahmen die Verwaltung bzw. der Betrieb oder ein Teil davon vorübergehend geschlossen bzw. stillgelegt, haben diejenigen Auszubildenden, die unter den Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes fallen und sich zur Ausbildung bereithalten, also nicht an der Arbeitskampfmaßnahme teilnehmen, einen Anspruch auf Fortzahlung des Ausbildungsentgelts bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BBiG).

Sofern sich Auszubildende an Arbeitskampfmaßnahmen im Zusammenhang mit Tarifverhandlungen, die nicht die Ausbildungsbedingungen betreffen, beteiligen, verletzen sie ihre Hauptleistungspflicht aus dem Ausbildungsverhältnis. In derartigen Fällen können arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden, die von einer Abmahnung bis zur außerordentlichen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses gehen können.

Die Frage, ob Auszubildende unter den vorgenannten Voraussetzungen auch an den Tagen streikberechtigt sind, an denen sie am Berufsschulunterricht teilnehmen müssen, ist - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung noch nicht entschieden. Auch im Schrifttum finden sich hierzu keine Aussagen.

Nach § 13 Satz 2 Nr. 2 BBiG sind Auszubildende verpflichtet, an Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen, für die sie nach § 15 BBiG freigestellt werden. Ausbildende haben nach § 15 BBiG Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen freizustellen. Das Gleiche gilt, wenn Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte durchzuführen sind.

Streiks von Auszubildenden haben zum Ziel, für bessere Ausbildungsbedingungen (z. B. höhere Ausbildungsentgelte) zu streiten. Adressat des Streiks ist der Ausbildende. Eine streikbedingte Nichtteilnahme am Berufsschulunterricht würde den Zweck eines Streiks verfehlen. Wir halten deshalb ein Streikrecht für Auszubildende an Tagen, an denen keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Betrieb besteht, sondern eine Verpflichtung zum Besuch des Unterrichts, für nicht gegeben.

Entsprechendes gilt für Auszubildende, die nicht unter das BBiG fallen.

[1] BAG, 12.9.1984, 1 AZR 342/83, AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[2] BAG, 30.8.1994, 1 AZR 765/93. AP Nr. 131 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

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