Zusammenfassung
Hintergrund des Gesetzes vom 28. April 2011 (vgl. hierzu unser Rundschreiben Nr. 9/2011) ist die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit, die von den Mitgliedstaaten bis zum 5. Dezember 2011 in nationales Recht umzusetzen ist.
Diese Richtlinie legt einheitliche Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen der Leih¬arbeitnehmer fest. Nach Artikel 5 der Richtlinie müssen die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen grundsätzlich mindestens denjenigen entsprechen, die für sie gelten würden, wenn sie vom Entleiher unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. Diese Verpflichtung wird auch als Anspruch auf "Equal-Pay" oder "Equal-Treatment" bezeichnet. Die Mitgliedstaaten können zulassen, dass Regelungen der Sozialpartner von den genannten Grundsätzen abweichende Regelungen treffen, wobei Voraussetzung für eine Schlechterstellung der Leiharbeitnehmer beim Entgelt ist, dass die Leiharbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis haben und auch in den Zeiten zwischen den Überlassungen bezahlt werden.
Bislang war eine Arbeitnehmerüberlassung erlaubnisfrei, soweit sie nicht gewerbsmäßig war. Künftig ist eine Arbeitnehmerüberlassung, soweit keine der Ausnahmen des § 1 Abs. 3 AÜG vorliegt, nur noch dann erlaubnisfrei, wenn sie nicht im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Arbeitgebers erfolgt. Diese Neuregelung tritt am 1. Dezember 2011 in Kraft und gilt auch, soweit bislang die Arbeitnehmerüberlassung erlaubnisfrei war.
Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend, so eine weitere Änderung des AÜG.
Sowohl die Erlaubnispflichtigkeit einer Arbeitnehmerüberlassung als auch die nach dem AÜG zulässige zeitliche Dauer einer Arbeitnehmerüberlassung haben für kommunale Arbeitgeber große praktische Relevanz, z. B. im Rahmen einer Personalgestellung nach Ausgründung einzelner Aufgabenbereiche oder für Servicegesellschaften kommunaler Wirtschaftsunternehmen, die Arbeitnehmerüberlassung betreiben. Im Einzelnen sind in diesem Zusammenhang noch Auslegungsfragen offen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat angekündigt, dass die für die Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zuständige Bundesagentur für Arbeit voraussichtlich im Spätherbst 2011 Hinweise zur Anwendung der Neuregelungen bekannt geben wird. Wir erwarten, dass darin auch zu den noch nicht abschließend geklärten Fragen Stellung genommen wird.
Eingang in dieses Änderungsgesetz gefunden hat auch das Ergebnis aus dem Vermittlungsverfahren zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ("Hartz-IV-Reform"), soweit es die Leiharbeit betraf. In das AÜG aufgenommen sind dabei eine Ermächtigung zur Festsetzung einer Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit (Mindestlohn) und eine "Drehtürklausel" zur Verhinderung von Missbrauch.
Durch das weitere Gesetz vom 20. Juli 2011 (vgl. hierzu unser Rundschreiben Nr. 14/2011) sind im Wesentlichen die Ordnungswidrigkeitentatbestände in § 16 AÜG um mehrere Tatbestände erweitert worden.
Zu den gesetzlichen Änderungen ist - vorbehaltlich der angekündigten Hinweise der Bundesagentur für Arbeit - Folgendes auszuführen:
I. Gesetz vom 28. April 2011
1. Ausweitung der Erlaubnispflichtigkeit einer Arbeitnehmerüberlassung
Durch Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG wird für die Erlaubnispflichtigkeit einer Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr wie bislang auf die "Gewerbsmäßigkeit" der Arbeitnehmerüberlassung abgestellt, sondern darauf, ob die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der "wirtschaftlichen Tätigkeit" des Arbeitgebers erfolgt. Das Gesetz folgt mit dieser Änderung der Vorgabe der EU-Leiharbeitsrichtlinie, deren Anwendungsbereich sich auf öffentliche und private Unternehmen erstreckt, bei denen es sich um Leiharbeitsunternehmen oder entleihende Unternehmen handelt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht (Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG).
Weder das AÜG noch die Richtlinie 2008/104/EG enthalten eine Definition des Begriffs "wirtschaftliche Tätigkeit".
Das Gemeinschaftsrecht in der EU bildet die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Tätigkeit der Unternehmen, so dass für die Auslegung der Leiharbeitsrichtlinie auf andere durch die EU geregelte Rechtsbereiche abgestellt werden kann. Im Rahmen des europäischen Wettbewerbsrechts umfasst der Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Tätigkeiten ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist dabei jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (ständige Rechtsprechung, vgl. nur EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006 – Rs. C-222/04 – m. w. N.). Tätigkeiten, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgen, haben keinen wirtschaftlichen Charakter (EuGH, Urteil vom 26. März 2009 – Rs. C-113/07 P – m. w. N.).
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