BAG, Urteil v. 1.6.2017, 6 AZR 741/15
Leitsätze (amtlich)
Im Tarifbereich der VKA beginnt nach einer Herabgruppierung die Stufenlaufzeit neu.
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit dem 15.5.2009 als Sozialarbeiterin bei der beklagten Stadt beschäftigt. Der TVöD–VKA findet Anwendung. Die Klägerin wurde zunächst als Sozialarbeiterin eingesetzt, eingruppiert in EG S 14 TVöD-BT-V. Ab dem 1.5.2010 war sie der Stufe 3 dieser Entgeltgruppe zugeordnet. Mit ihrem Einverständnis wurde sie seit dem 15.4.2013 auf einer nach der Entgeltgruppe S 12 TVöD-BT-V bewerteten Stelle als Sozialarbeiterin beim Gesundheitsamt der beklagten Stadt eingesetzt. Die Beklagte ordnete die Klägerin der Stufe 3 dieser Entgeltgruppe zu und berechnete die Stufenlaufzeit ab dem 15.4.2013. Die Frage der Mitnahme bisheriger Stufenlaufzeit nach Herabgruppierung ist im TVöD-VKA – im Gegensatz zum Bund (hier ab 1.3.2014 geregelt in § 17 TVöD-AT Abs. 5 – wonach die bisherigen Stufenzeiten angerechnet werden) nicht geregelt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie hätte bereits zum 1.5.2014 der Stufe 4 der Entgeltgruppe S 12 TVöD-BT-V zugeordnet werden müssen, da die Stufenlaufzeit in der Stufe 3 der Entgeltgruppe S 14 TVöD-BT-V berücksichtigt werden müsste. Sie begründete dies unter anderem damit, dass die in der höheren Entgeltgruppe erworbene Berufserfahrung auch in der niedrigeren Entgeltgruppe berücksichtigt werden müsse. Zudem sehe der TVöD-Bund eine entsprechende Anrechnungsregel vor, daher müsse dies auch im Bereich des TVöD-VKA gelten.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass es einer ausdrücklichen tariflichen Anordnung bedürfe, wenn die Stufenlaufzeit in der niedrigeren Entgeltgruppe nach einer Herabgruppierung nicht neu beginnen solle. Zwar enthalte § 17 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 TVöD-AT für die Beschäftigten des Bundes solch eine Anordnung, im Tarifbereich der VKA lasse sich jedoch kein derartiger Regelungswille der Tarifvertragsparteien entnehmen.
Das BAG führte hierzu aus, dass der Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD die gewonnene Berufserfahrung honorieren solle. Die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, dass die Beschäftigten durch die Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und -quantität verbessern. Für den Stufenaufstieg sei deshalb eine ununterbrochene Tätigkeit "innerhalb derselben Entgeltgruppe" bei demselben Arbeitgeber erforderlich, sodass die Stufen auf die jeweilige tariflich zutreffende Entgeltgruppe bezogen seien. Bei der nach einer Höher- oder Herabgruppierung erforderlichen Zuordnung des Beschäftigten zu einer anderen Entgeltgruppe werde nach dieser tariflichen Systematik die Berufserfahrung in der neuen Entgeltgruppe "auf Null" gesetzt. Die Anknüpfung, so das BAG, an die "innerhalb derselben Entgeltgruppe" erworbene Berufserfahrung schließe die von der Klägerin begehrte Berücksichtigung von Zeiten aus einer anderen Entgeltgruppe deshalb grundsätzlich aus. Für den weiteren Stufenaufstieg zähle nach der Grundregel des § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT nach der Zuordnung zu einer Stufe in der neuen Entgeltgruppe allein die Stufenlaufzeit in dieser neuen Gruppe. Solle die in anderen Entgeltgruppen erworbene Stufenlaufzeit nach einer Höher- oder Herabgruppierung gleichwohl "mitgenommen" werden, bedürfe es einer eindeutigen Anordnung der Tarifvertragsparteien.
Des Weiteren könne nach Auffassung des BAG angesichts der Vielgestaltigkeit der Berufsbilder im TVöD nicht grds. davon ausgegangen werden, dass Tätigkeiten in einer höheren Entgeltgruppe dem Beschäftigten auch Berufserfahrung in der niedrigeren Entgeltgruppe vermittelt haben. Auch, entgegen verbreiteter Ansicht im Schrifttum, lasse sich der Wille der Tarifvertragsparteien, die angebrochene Stufenlaufzeit bei einer Herabgruppierung mitzunehmen, nicht im Umkehrschluss aus § 17 Abs. 4 Satz 4 TVöD-AT (a. F.) (der ausdrücklichen Regelung des Beginns der Stufenlaufzeit bei Höhergruppierung) entnehmen.