Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch. Personalfragebogen. Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 94 Abs. 1 BetrVG bei der von der im Ausland sitzenden Konzernmutter veranlassten Personalbefragung via E-Mail bzw. Internet
Leitsatz (amtlich)
Auch bei einer von der im Ausland ansässigen Konzernmutter durchgeführten und gesteuerten Befragungsaktion per E-mail oder Intranet besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 94 Abs. 1 BetrVG gegenüber dem im Inland ansässigen Arbeitgeber, dessen Arbeitnehmer davon betroffen sind.
Normenkette
BetrVG § 94 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.07.2000; Aktenzeichen 5 BV 718/99) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25.7.2000 – Az. 5 BV 718/99 – hinsichtlich seiner Ziffer 1) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, die Mitarbeiterbefragung „Organizational Culture Survey” ohne vorherige Zustimmung des Beteiligten zu 1) oder Ersetzung dieser Zustimmung durch die Einigungsstelle zu unterlassen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Arbeitgeberin die Unterlassung einer elektronischen Befragung ihrer Mitarbeiter i. S. von § 94 Abs. 1 BetrVG, die zentral von ihrer Konzernmutter aus den USA veranlasst und gesteuert wird, aufgegeben werden kann.
Wegen des unstreitigen Sachverhaltes und des Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug wird auf die Gründe zu 1. des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juli 2000 – 5 BV 718/99 – (Bl. 79 bis 83 d. A.) Bezug genommen (§ 543 ZPO in entsprechender Anwendung; BAG AP Nr. 2 zu § 92 ArbGG 1979).
Mit diesem Beschluss hat das Arbeitsgericht der Arbeitgeberin aufgegeben, die Mitarbeiterbefragung „Organizational Culture Survey” ohne vorherige Genehmigung des Gesamtbetriebsrates zu unterlassen und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 20.000,00 DM angedroht. Das weitergehende Begehren des Gesamtbetriebsrates auf Information hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es festgestellt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fragenkatalog um Personalfragebögen i. S. des § 94 Abs. 1 BetrVG handele, deren Verwendung im Unternehmen dem Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrates unterliege. Mit der Durchführung der Fragebogenaktion im September/Oktober 1999 trotz verweigerter Zustimmung seitens des Gesamtbetriebsrates habe die Arbeitgeberin eine grobe Pflichtverletzung i. S. des § 23 Abs. 3 BetrVG begangen. Dieser Verstoß sei der Arbeitgeberin auch zuzurechnen, obwohl die Fragebogenaktion durch die amerikanische Konzernmutter mit Sitz in … Ohio durchgeführt worden sei. Für die von der Arbeitgeberin unterhaltenen Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland gelte das Betriebsverfassungsgesetz, für dessen Einhaltung nur sie und nicht die amerikanische Konzernmutter in Anspruch genommen werden könne. Wegen des vollständigen Inhalts der Begründung des Beschlusses wird ergänzend auf seine S. 6 bis 8 (Bl. 83 bis 85 d. A.) ergänzend Bezug genommen.
Gegen diesen der Arbeitgeberin am 26.10.2000 zugestellten Beschluss hat diese am Montag, dem 27.11.2000, Beschwerde eingelegt und dieses Rechtsmittel nach rechtzeitiger Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 29.01.2001 auch an diesem Tag begründet.
Sie meint, dass eine Verletzung des § 94 Abs. 1 BetrVG durch sie nicht vorliegen könne, da ihrerseits kein Tun oder Unterlassen in Bezug auf die Fragebogenaktion festzustellen sei. Sie sei weder in der Lage, die seitens der Muttergesellschaft ins konzerninterne Intranet gestellten bzw. per E-Mail verschickten Fragen in Bezug auf die deutschen Betriebe herauszufiltern noch könne sie die Entscheidungen der amerikanischen Muttergesellschaft dahingehend beeinflussen, dass die entsprechende Fragebogenaktion unterbleibe. Angesichts dieser tatsächlichen und rechtlichen Unmöglichkeit könne von ihr gem. § 94 Abs. 1 BetrVG nur verlangt werden, dass sie mit ihren Möglichkeiten auf die ausländische Konzernspitze einwirke und die Mitarbeiter darüber informiere, dass die Teilnahme an der Fragebogenaktion freiwillig ist. Dies sei geschehen. Zwar gelte das Betriebsverfassungsgesetz für alle innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Betriebe. Seine Nichtanwendbarkeit auf die ausländische Konzernmutter dürfe jedoch nicht dazu führen, dass „ersatzweise” auf sie als deutsche Tochtergesellschaft zugegriffen werde. Eine entsprechende Zurechnungsnorm sei mit den §§ 278 bzw. 831 BGB nicht gegeben. Sie beantragt:
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25.07.2000 (5 BV 718/99) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Anträge zu 1) und 2) werden zurückgewiesen.
Der Gesamtbetriebsrat beantragt,