Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats. Überprüfung eines Einigungsspruches
Leitsatz (amtlich)
1) Besteht eine betriebliche Übung darin, Arbeitszeit am Rosenmontag/Faschingsdienstag zu verkürzen, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG, wenn der Arbeitgeber nunmehr an dem gesamten Tag Arbeitsleitung anordnen will.
2) Die Einigungsstelle hat nicht die Frage der Vergütung der Arbeitnehmer mitzuregeln, wenn sie einen Beschluß über die zeitliche Lage der Arbeitszeit an den genannten Tagen faßt.
3) Auch wenn der Betriebsrat die Einigungsstelle angerufen hat, kann diese einen Spruch fällen, der auf dem Antrag der Gegenseite beruht, nachdem die Anträge des Betriebsrats keine Mehrheit fanden. Hat die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit bejaht, dienen Anträge und Gegen-Gegenanträge sowie eventuelle Vorschläge des Vorsitzenden dem Erreichen einer sachgerechten Lösung. Diejenige Seite, auf deren Initiative die Einigungsstelle tätig wird, bleibt also nicht „Herr des Verfahrens” in dem Sinne, daß die Einigungsstelle zu beenden sei, wenn die initiierende Seite dies wünscht.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 2, § 87 Abs. 1 Ziff. 3, § 76
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.08.1992; Aktenzeichen 6 BV 13/92) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. August 1992 – 6 BV 13/92 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen einer Einigungsstelle über ihre Zuständigkeit und um das Bestehen von Mitbestimmungsrechten. Anlaß des Streits war der Umstand, daß der Arbeitgeber im Februar 1991 die bisher gehandhabte Praxis aufgab, Beschäftigte, die am Rosenmontag/Faschingsdienstag und Wäldchestag an sich nachmittags zu arbeiten gehabt hätten, freizustellen, ohne daß die ausgefallene Arbeitszeit vor- oder nachgearbeitet werden mußte.
Der antragstellende Betriebsrat ist bei dem Arbeitgeber einem großen deutschen Luftfahrtunternehmen, gebildet.
Bereits im Verfahren 17 BV 31/91 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt machte der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit am Rosenmontag/Faschingsdienstag und Wäldchestag geltend. Dieses Verfahren endete durch einen Vergleich vom 22. Januar 1992, mit dem beiden Parteien freigestellt wurde, bei außergerichtlich nicht zu erzielendem Einvernehmen die Einigungsstelle anzurufen.
Am 14. Februar 1992 tagte die Einigungsstelle zum Thema „Arbeitszeitregelung am Rosenmontag/Faschingsdienstag und Wäldchestag”. Im Protokoll ist festgehalten, daß Einigkeit darüber bestehe, daß der Hauptstreitpunkt der sei, ob den Mitarbeitern – wie in der Vergangenheit praktiziert – an den genannten Tagen weiterhin eine bezahlte Freistellung ermöglicht werden müsse.
Der Betriebsrat stellte im Verlauf des Einigungsstellenverfahrens folgende Anträge:
- die… wird verpflichtet, im Rahmen der bisherigen Regelung der bezahlten Freistellung am Rosenmontag, Faschingsdienstag und Wäldchestag Arbeitnehmern bezahlte Freistellung zu gewähren, sofern dem keine betrieblichen Belange entgegenstehen,
- die … zu verpflichten, am Rosenmontag, Faschingsdienstag und Wäldchestag im bisherigen Rahmen darauf zu verzichten, von zur Arbeit eingeteilten Arbeitnehmern die Arbeitsleistung abzufordern, sofern dem keine betrieblichen Belange entgegenstehen,
- die … zu verpflichten, im bisherigen Rahmen, soweit keine betrieblichen Belange entgegenstehen, Arbeitnehmer auf ihren Wunsch am Rosenmontag, Faschingsdienstag und Wäldchestag nicht zur Arbeit einzuteilen,
- für Rosenmontag, Faschingsdienstag und Wäldchestag folgende Arbeitszeitregelung zu treffen: Gemäß den Arbeitgeberschreiben vom 08. Mai 1990 und 17. Januar 1990 besteht für die Mitarbeiter die Möglichkeit, wenn keine betrieblichen Belange entgegenstehen, die Arbeitsleistung zu beenden wie bisher (damit soll über die Frage der Vergütung der nicht geleisteten Arbeitszeit keine Vorentscheidung getroffen werden).
Der Arbeitgeber beantragte jeweils, die Einigungsstelle möge ihre Unzuständigkeit zu diesen Fragen erklären. Nach der jeweiligen Abstimmung über die Anträge des Arbeitgebers ergab sich ohne Beteiligung des Vorsitzenden keine Stimmenmehrheit, dieser stimmte sodann mit der Arbeitgeberseite, so daß jeweils die Unzuständigkeit der Einigungsstelle festgestellt wurde.
Der sodann gestellte Antrag des Arbeitgebers:
- Arbeitnehmer können am Rosenmontag, Faschingsdienstag und Wäldchestag freigestellt werden wie in den Regularien vom 17. Januar 1990 und 08. Mai 1990 beschrieben; der Ausfall von Arbeitszeit ist von den Mitarbeitern auszugleichen,
fand, nachdem der Betriebsrat zunächst erfolglos versucht hatte, die Unzuständigkeit zu dieser Frage zu beschließen, eine Mehrheit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Einigungsstellenverfahren wird auf das Protokoll der Sitzung der Einigungsstelle vom 14. Februar 1992 (Bl. 8–12 d. A.) Bezug genommen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- festzustellen...