Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 26.07.1973; Aktenzeichen 3 Ca 93/73) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.7.1973 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach/M. – 3 Ca 93/73 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Arbeitsgericht Offenbach/Main zurückverwiesen.
Tatbestand
Der am 10.4.1941 geborene Kläger ist Gastarbeiter aus der Türkei. Er war ab 24.1.1972 bei der Beklagten, die ca. 100 Arbeitnehmer beschäftigt, als Dreher tätig. Er erhielt einen Stundenlohn von DM 8,36 brutto.
Der Kläger mußte sich einer Operation unterziehen und war in der Zeit vom 5.3. bis zum 6.4.1973 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte kündigte ihm das Arbeitsverhältnis zum 31.3.1972 auf. Diese Kündigung griff der Kläger mit einer Feststellungsklage, die bei dem Arbeitsgericht am 29.3.1973 einging und der Beklagten am 4.4.1973 zugestellt wurde, als sozial nicht gerechtfertigt an.
Als der Kläger am 2. Mai 1973 seine Arbeitspapiere im Büro der Beklagten abholen wollte, bat ihn die bei der Beklagten als Buchhalterin tätige Zeugin …, eine Ausgleichsquittung zu unterzeichnen. Da der Kläger jedoch die Unterschrift verweigerte, erhielt er auch von der Zeugin … seine Papiere nicht.
Der Kläger bat, ihm die Arbeitspapiere zu übersenden. Als er am 9.5.1973 erneut im Büro der Beklagten erschien unterzeichnete er eine Ausgleichsquittung und erhielt hierauf seine Arbeitspapiere. In der vom Kläger mit dem Datum des 9.5.1973 versehenen Bescheinigung heißt es, er habe seinen Lohn bis einschließlich 30.3.1973 sowie die Arbeitspapiere und sonstige im einzelnen aufgeführte Unterlagen erhalten. Ferner heißt es:
„Ich erkläre hiermit, aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung zum 30.3.1973 keinerlei Ansprüche –gleich welcher Art, zB. Arbeitsvergütung, Urlaub, Rechte aus Mutterschutz, Kündigungsschutz u.a.m.– mehr zu haben.”
Im Gütetermin vom 14.5.1973 bezog sich die Beklagte auf diese Ausgleichsquittung.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe den genauen Inhalt der von ihm unterzeichneten Ausgleichsquittung nicht verstanden. Seine Deutschkenntnisse seien mangelhaft. Jedenfalls habe ihm der Wille gefehlt, eine Erklärung dieses Inhalts abzugeben. Hilfsweise fechte er seine Erklärung wegen Irrtums an. Zu der Unterschrift sei es nur deshalb gekommen, weil ihm die Zeugin erklärt habe, daß er mit seiner Unterschrift nur den Empfang der Arbeitspapiere und die Rückgabe seiner Arbeitsutensilien quittiere, nicht jedoch auf irgendwelche weiteren Ansprüche verzichte. Der Zeugin gegenüber habe er lediglich zum Ausdruck gebracht, er wolle seine Arbeitspapiere, weil er eine neue Stelle antreten könne. Es könne keine Rede davon sein, daß er erklärt habe, er betrachte die Angelegenheit als erledigt.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 12.3. zum 31.3.1973 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die vom Kläger unterzeichnete Ausgleichsquittung vom 9.5.1973 berufen und vorgetragen, der Kläger habe, nachdem ihm der Inhalt der genannten Quittung bekanntgewesen sei, diese mit den Worten unterschrieben: „Warum denn nicht, ich habe eine neue Stellung und dort vielmehr Lohn”. Dem Kläger sei gekündigt worden, weil seine Arbeitsleistung nicht ausreichend gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeugin Schön und des Zeugen … die Klage abgewiesen. Den Wert des Streitgegenstandes hat es auf DM 2875,84 festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger müsse die von ihm am 9.5.1973 unterzeichnete Ausgleichsquittung gegen sich gelten lassen, da er weder durch widerrechtliche Drohung noch durch arglistige Täuschung zur Unterzeichnung dieser Quittung veranlasst worden sei. Der Kläger könne auch die Ausgleichsguittung nicht wirksam wegen Irrtums anfechten.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 34 bis 39 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 7.9.1973 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.9.1973 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 26.9.1973 mit einem weiteren Schriftsatz begründet.
Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe den von ihm angebotenen Beweis, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, nicht erhoben. Das Arbeitsgericht hätte davon ausgehen müssen, daß ihm der Inhalt der Quittung nicht bekanntgewesen sei. Die Tatsache, daß Formulare dieser Art im Büro des Meisters lagen, beweise noch nicht, daß er, der Kläger, den Inhalt der Quittung gekannt habe. Die Beklagte könne sich schon deshalb nicht auf die Quittung berufen, weil ihr bekanntgewesen sei, daß er wegen der ihn ausgesprochenen Kündigung Klage erhoben und mit der Wahrnehmung seiner Interessen einen Anwalt beauftragt habe. Es verstoße gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, wenn dieser … ohne jegliche Aufklärung über die folgen ei...