keine Angaben zur Anfechtbarkeit
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung. Probezeit. Lohnwucher. Sittenwidrigkeit. Ausschlussfrist
Leitsatz (amtlich)
Eine Vergütungsabrede über ein Probezeitgehalt, das 57 % des Eingangsgehaltes der niedrigsten Beschäftigungsgruppe des branchenüblichen Entgelttarifvertrages beträgt, ist wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Der Arbeitgeber schuldet das Tarifgehalt.
Normenkette
BGB § 612 Abs. 2; BGB 138; BGB § 307; StGB § 291
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.05.2007; Aktenzeichen 11 Ca 148/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Mai 2007 – 11 Ca 148/07 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Die Beklagte betreibt ein Reisebüro. Die Klägerin war bei ihr vom 1. Aug. 2005 bis 31. Dez. 2006 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 22. Juli 2005 (Bl. 5 bis 10 d. A.) als Mitarbeiterin im Firmendienst tätig. Die Klägerin macht zweitinstanzlich noch eine Vergütungsdifferenz für die Zeit vom 1. Aug. 2005 bis 31. Jan. 2006 geltend. Die Probezeit beläuft sich nach § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages auf eine Dauer von sechs Monaten, für welche ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 800 vereinbart ist. Nach Ablauf der Probezeit beträgt das Gehalt EUR 1.500 brutto monatlich. In § 8 des Arbeitsvertrages ist eine zweistufige Ausschlussklausel vereinbart. Die Ausschlussfrist für die außergerichtliche Geltendmachung beträgt zwei Monate nach Fälligkeit, für die gerichtliche Geltendmachung zwei Monate nach Ablehnung der anderen Seite. Nach dem in der Branche zwischen der DRV-Tarifgemeinschaft (DRV-T) und Ver.di abgeschlossenen und seit 1. Juni 2005 gültigen Gehaltstarifvertrag erhielt eine Angestellte der Beschäftigungsgruppe B (Arbeitnehmer/innen, die Tätigkeiten ausführen, die Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine kurze Einarbeitung erworben werden; Beispiele: Anzulernende Kräfte bei längstens zwei Jahre Berufspraxis, Bürohilfskraft, Bote/Botin, …, Mitarbeiter/in im Geschäftsreisebereich mit einfachen Tätigkeiten usw.) im fraglichen Zeitraum ein Anfangsgehalt in Höhe von EUR 1.417,–.
Die Klägerin machte mit Schreiben vom 11. Dez. 2006 (Bl. 11, 12 d. A.) für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses eine Vergütungsdifferenz zu Beschäftigungsgruppe C in Höhe von monatlich EUR 843,–, insgesamt EUR 5.058,– geltend. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 18. Dez. 2006 (Bl. 13, 14 d. A.) Zahlung ab.
Mit ihrer am 5. Jan. 2007 eingereichten Klage ist die Klägerin der Auffassung gewesen, die Gehaltsvereinbarung für die Probezeit erfülle den Tatbestand des Lohnwuchers und sei nichtig, da die vereinbarte Vergütung lediglich 48,7 % des als angemessen anzusehenden Tarifgehaltes entspreche. Sie habe die Vergütung während der Probezeit nur akzeptiert, weil sonst der Arbeitsvertrag nicht zustande gekommen wäre. Die arbeitsvertragliche Ausschlussklausel sei wegen Verstoßes gegen die §§ 305 ff. BGB unwirksam. Sie sei bis 1992 für eine … Fluglinie und bis 31. Juli 2005 im Einzelhandel tätig gewesen. Bei urlaubsbedingter Abwesenheit der Büroleiterin habe sie diese zeitweise vertreten. Bei der IHK könne man die Tätigkeit einer Reiseverkehrsexpertin durch eine fünftägige Ausbildung erlernen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 5.058,– brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Dez. 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, ein Fall des Lohnwuchers liege nicht vor. Die Klägerin sei als gelernte Verkäuferin völlig fachfremd in der Reisebranche gewesen. Ihre 1978 bis 1981 bei einer … Fluglinie erworbenen Kenntnisse seien veraltet gewesen. Aus dem anlässlich des Vorstellungsgesprächs von der Klägerin ausgefüllten Fragebogen ergebe sich, dass sie die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse nicht gehabt habe. Die Arbeitsleistung der Klägerin in der Anlernphase sei für die Beklagte nur bei einem Gehalt von EUR 800,– brutto wirtschaftlich sinnvoll gewesen. Sie habe versucht, die Klägerin in der Probezeit auf den Stand zu bringen wie eine Mitarbeiterin nach drei Ausbildungsjahren. Das sei von der Klägerin auch akzeptiert worden. Das Arbeitsverhältnis habe am 31. Dez. 2006 mangels ausreichender Fähigkeiten der Klägerin geendet. Die Klägerin habe Fehler bei ihrer Arbeit gemacht und sich Kunden und Mitarbeitern gegenüber unangemessen verhalten.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch Urteil vom 3. Mai 2007 – 11 Ca 148/07 – in Höhe von EUR 3.702,– nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne die Differenz zu Beschäftigungsgruppe B unter dem Ges...