Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. Sozialauswahl
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich erstreckt sich die Sozialauswahl in einem Betrieb, der Arbeitnehmerüberlassung betreibt, auf die verliehenen und die nicht verliehenen Arbeitnehmer mit vergleichbarem Tätigkeitsprofil.
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.02.2011; Aktenzeichen 9 Ca 7012/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. Februar 2011 – 9 Ca 7012/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten beendet wurde, sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 01. Januar 1969 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 01. Oktober 2004 zunächst bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und mit Arbeitsvertrag vom 17. Juni 2010 (Blatt 5 bis 9 d. A.) bei der Beklagten zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von Euro 1.500,00 beschäftigt. Mit Schreiben vom 29. Juni 2010 bestätigte die Beklagte die Anrechnung des Vorarbeitsverhältnisses des Klägers (Blatt 10 d. A.). Der Kläger ist für die Beklagte gemäß § 2 des Arbeitsvertrages als männliche Hilfskraft und ausweislich des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils als Flugzeugreiniger tätig. Der Kläger war zuletzt als Flugzeugreiniger am Flughafen A. und seit dem 01. Juli 2010 als Vorarbeiter eingesetzt (vgl. Blatt 80 d. A.).
Die Beklagte betreibt gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung und verfügt über verschiedene Niederlassungen in Deutschland. In der Niederlassung in A. waren zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs 144 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte hat am B. 2 Kunden, nämlich die C. und die D.. Die Firma C. ist eine Schwestergesellschaft der Beklagten. Im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen der Beklagten und der C., wegen dessen Inhalt auf Blatt 35 bis 36 d. A. Bezug genommen wird, ist unter Ziffer 2. geregelt, dass der Verleiher dem Entleiher bis zu 150 Arbeitnehmer zur Tätigkeit als Hilfskraft beginnend mit dem 01. Juli 2010 überlässt. In der Rahmenvereinbarung Arbeitnehmerüberlassung zwischen der Beklagten und der Firma D., wegen dessen Inhalt auf Blatt 27 bis 34 d. A. Bezug genommen wird, ist unter § 12 unter anderem geregelt, dass ein Austausch von Mitarbeitern nur im Einvernehmen mit der Firma D. vorgenommen werden kann. Die Beklagte hat keine weiteren Kunden.
Der Kläger war zuletzt der Firma C. als Flugzeugreiniger am Flughafen A. überlassen.
Am 27. und am 29. September 2010 erklärte ein Mitarbeiter der Firma C. gegenüber dem Niederlassungsleiter der Beklagten, dass man unter anderem den Kläger nicht mehr benötige und zum 08. Oktober 2011 abmelde. Mit E-Mail vom 07. Oktober 2011 wurde das schriftlich bestätigt (Blatt 71 d. A.).
In der Folgezeit fragte die Beklagte bei der Firma D. nach, ob ein Einsatz der bei der Firma C. abgemeldeten Arbeitnehmer bei ihr in Frage käme. Mit Schreiben ohne Datum (Blatt 72 d. A.) teilte die Firma D. der Beklagten mit, dass eine Umsetzung nicht durchführbar sei.
Mit Schreiben vom 30. September 2010 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich, betriebsbedingt zum 31. Dezember 2010.
Mit seiner am 12. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 30. Oktober 2010 zugestellten Klageschrift hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und in der Folgezeit seine Weiterbeschäftigung begehrt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er hat behauptet, die Beklagte habe nur die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer gekündigt, die mit Hilfe der Gewerkschaft E. eine Betriebsratswahl initiiert hätten. Der Beklagten seien die Initiatoren der Betriebsratswahl namentlich bekannt gewesen. Der Kläger hat behauptet, sein Arbeitsplatz sei nicht dauerhaft weggefallen, da die C. zum 01. Januar 2011 Neuaufträge unter anderem von den Firmen F. und der Firma G. gewonnen habe. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, da die Beklagte keine Sozialauswahl vorgenommen habe. Gründe, warum eine Sozialauswahl im Hinblick auf die bei der Firma C. eingesetzten Arbeitnehmer nicht hätte durchgeführt werden können, seien nicht erkennbar.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 30. September 2010 aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Flugzeugreiniger im Betrieb B. weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt. Die Geschäftsführerin der Beklagten habe im September 2010 die...