Entscheidungsstichwort (Thema)

Kurzarbeit, Betriebsvereinbarung, Annahmeverzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soll eine Betriebs Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit normative Wirkung für die betroffenen Arbeitsverhältnisse entfalten, so müssen in ihr Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder Abteilungen sowie auch die Zeiträume, in denen die Arbeit ganz ausfallen soll, festgelegt werden.

2. Der Verweis auf vom Arbeitgeber auszuhängende Listen in der Betriebsvereinbarung genügt höchstens dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. suspendiert aber nicht die Arbeitspflicht und den Vergütungsanspruch solcher Arbeitnehmer, die der Kurzarbeit widersprechen. Dies folgt aus § 77 Abs. 2 BetrVG i. V. m. dem Prinzip der Normklarheit.

 

Normenkette

BetrVG §§ 77, 87; BGB § 615

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.11.1995; Aktenzeichen 11 Ca 1206/95)

 

Tenor

Die Berufung der Beklegten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 1995 – 11 Ca 1206/95 – wird auf Kosten der Beklegten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs bei angeordneter Kurzarbeit.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte, im folgenden Klägerin genannt, ist bei der Beklagten und Berufungsklägerin, im folgenden Beklagte genannt, als Buchhalterin gegen eine monatliche Bruttovergütung von DM 5.000,– beschäftigt.

Die Beklagte stellt Schlauchleitungen, Rohrleitungen, Armaturen, Gummi- und Kunststoffteile für die Automobilindustrie her. Bei ihr besteht ein Betriebsrat mit 7 Mitgliedern. Am 11. Januar 1995 fand um 14.00 Uhr eine Betriebsratssitzung mit dem Thema „Kurzarbeit wegen mangelnder Anfrage” statt, an der für die Geschäftsleitung der Beklagten Herr P. teilnahm. Im Protokoll dieser Sitzung wurde vermerkt: „Um momentan Entlassungen vorzubeugen, wurde der Kurzarbeit zugestimmt”. Ausweislich der einzeln aufgeführten Namen stimmten 4 Betriebsratsmitglieder dem zu, 3 enthielten sich (s. Fotokopie des Protokolls Bl. 79 d.A.).

Am 13. Januar 1995 unterzeichneten Herr für die Geschäftsleitung sowie ein Mitglied des Betriebsrats folgendes Schriftstück (Bl. 80 d.A.):

„Zwischen der Firma A. S. G. und dem Betriebsrat wird folgende Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) abgeschlossen:

  1. Geschäftsleitung und Betriebsrat sind sich darüber einig, daß aufgrund der derzeitig bestehenden Auftragslage die Einführung von Kurzarbeit zur Erhaltung der Arbeitsplätze unvermeidlich ist.
  2. Die Kurzarbeit wird zunächst für den Zeitraum vom 16.01.1995 – 16.07.1995 eingeführt.
  3. Die von der Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter werden auf Listen an den üblichen Anschlagtafeln namentlich ausgehängt. Die Ausfallzeiten sind daraus ersichtlich.
  4. Die Kurzarbeit wurde am 10.01.1995 dem Arbeitsamt formlos angezeigt.”

Am selben Tag erfuhr die Klägerin durch Aushang einer Liste (Bl. 29 d.A.), daß für sie und 13 weitere Angestellte „ab 16.01.1995 – bis auf Widerruf –” Kurzarbeit vorgesehen sei. Mit Schreiben vom 17. Januar 1995 (Bl. 114 d.A.) bot die Klägerin über ihren Prozeßbevollmächtigten ausdrücklich ihre Arbeitskraft an und widersprach der Anordnung von Kurzarbeit. In den folgenden Monaten wurde sie von der Beklagten nicht beschäftigt, vielmehr war ihr Name von Januar bis November 1995 jeweils auf den im Betrieb der Beklagten ausgehängten Listen der im folgenden Monat von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmern aufgeführt (Bl. 83 – 93 d.A.).

Am 05. Mai 1995 bewilligte das Arbeitsamt Frankfürt am Main Kurzarbeitergeld ab 16. Januar 1995 längstens bis zum 15. Juli 1995 unter Vorbehalt. Wegen der Einzelheiten dieses Bescheides, insbesondere wegen der Gründe des erklärten Vorbehalts, wird auf Blatt 78 der Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 26. Juni 1995 bot die Klägerin erneut ihre Arbeit ab dem 03. Juli 1995 an (Bl. 94 d.A.), worauf die Beklagte ihr mit Schreiben vom 29. Juni 1995 mitteilte, sie sei „weiterhin zur Kurzarbeit eingeteilt”.

Am 13. Juli 1995 unterzeichneten Geschäftsleitung und 4 Betriebsratsmitglieder eine der Vereinbarung vom 13. Januar 1995 entsprechende Vereinbarung für den Zeitraum bis 31. Dezember 1995 (Bl. 82 d.A.).

Die Klägerin erhielt erstmalig am 01. Februar 1995, letztmalig am 06. Juli 1995 Kurzarbeitergeld in Höhe der im Schriftsatz vom 28. September 1995 (Bl. 27 d.A.) im einzelnen aufgeführten Beträge. Inzwischen widerrief das Arbeitsamt Frankfurt am Main seinen Bescheid vom 05. Mai 1995, wogegen die Beklagte Rechtsmittel einlegte.

Mit ihrer Klage vom 07. Februar 1995 hat die Klägerin zunächst Urlaubsabgeltung, mit Klageerweiterung vom 09. März 1995 (Bl. 18 f d.A.) und 26. September 1995 (Bl. 26 – 28 d.A.) sodann die Zahlung der Vergütung für die Monate Januar bis November 1995 abzüglich des gezahlten Kurzarbeitergeldes geltend gemacht.

Die Kläger hat in erster Instanz das Vorliegen der Vereinbarung vom 13. Januar 1...

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