Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenwidriger Vertrag. Wucherähnliche Vergütungsvereinbarung zwischen Rechtsanwälten
Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung von 1.300,– DM brutto monatlich für eine wöchentliche Arbeitsleistung von 35 Stunden als Rechtsanwalt ist gemäß § 138 I BGB nichtig.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1, § 612 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld vom 4.11.1998 – Az. 2 Ca 255/98 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu 48 % und der Kläger zu 52 % zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger macht Lohn- bzw. Schadenersatzansprüche für einen Zeitraum von 4 Jahren geltend, während dessen er meint, mit DM 1.300, brutto für eine Ganztagsbeschäftigung als Rechtsanwalt in sittenwidriger Weise unterbezahlt worden zu sein.
Wegen des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug nimmt das Berufungsgericht gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug (Bl. 118–123 d.A.).
Mit am 04.11.1998 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Bad Hersfeld – 2 Ca 255/98 – dem Kläger DM 87.000,– brutto nebst Zinsen jeweils seit Fälligkeit zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es festgestellt, dass der Kläger aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages (Bl. 66 d.A.) 35 Wochenstunden an Arbeitsleistung geschuldet habe. Die Vereinbarung von DM 1.300,– brutto monatlich hierfür sei als wucherähnlich anzusehen und verstoße im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten. An die Stelle der damit nichtig vereinbarten Vergütung trete die gemäß § 612 Abs. 2 BGB übliche Vergütung. Für deren Ermittlung sei von dem durchschnittlichen Verdienst eines in einer Einzelkanzlei angestellten Rechtsanwaltes von monatlich DM 6.500,– bei 50 Wochenstunden Arbeitsleistung auszugehen.
Daraus ergebe sich, so hat das Arbeitsgericht weiter festgestellt, für das erste Beschäftigungsjahr eine Monatsvergütung von DM 4.000,–, für das zweite Jahr eine solche von DM 5.000,–, für das nächste Jahr eine von DM 6.000,– und für das vierte Beschäftigungsjahr schließlich die ermittelte durchschnittliche Vergütung von DM 6.500,–. Bei der 35-stündigen wöchentlichen Arbeitsleistung, die der Kläger schuldete, ergebe sich damit für die ersten vier Beschäftigungsjahre ein Anspruch auf eine übliche Vergütung von DM 2.800,–, DM 3.500,–, DM 4.200,– und schließlich DM 4.550,–. Schließlich hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit vom 01.07.1994 bis zum 31.12.1995 verjährt seien, so dass er für die Zeit vom 01.01.1996 bis zum 30.06.1996 DM 21.000,–, für die Zeit vom 01.07.1996 bis zum 30.06.1997 DM 50.400,– und schließlich für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.06.1998 DM 54.600,– brutto, insgesamt also DM 126.000,– brutto verlangen könne. Nach Abzug der im genannten Zeitraum gezahlten DM 39.000,– ergebe sich der mit dem Urteilstenor zugesprochene Betrag von DM 87.000,– brutto. Wegen des vollständigen Inhalts der Entscheidungsgründe wird ergänzend auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 123–135 d.A.).
Gegen das ihm am 29.12.1998 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 25.01.1999 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel zugleich begründet. Er meint, § 4 des Arbeitsvertrages
„die Arbeitszeit liegt montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 13.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 17.30. Uhr”
schließe es zumindest nicht aus, die getroffenen Zeitangaben nicht als Vereinbarung über die zu leistende Arbeitszeit, sondern als Rahmenzeit zu verstehen. Allerdings sei einzuräumen, dass in dem Vertragstext irrtümlicherweise das Wort „zwischen” fehle. Aus zahlreichen Umständen außerhalb der Vertragsurkunde ergebe sich aber, dass der übereinstimmende Wille der Parteien gewesen sei, nicht eine Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche, sondern lediglich eine Rahmenvereinbarung zu treffen. So sei seine, des Beklagten Anwaltskanzlei betriebswirtschaftlich nur für einen Anwalt zugeschnitten gewesen. Nachdem sich die Hoffnungen auf eine ständige Beratertätigkeit des Beklagten zerschlagen gehabt hätten, sei klar gewesen, dass für den Kläger nur eine stundenweise Beschäftigung in Betracht gekommen sei. Auch habe der Kläger im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 04.11.1998 eingeräumt, dass er nur in dem Umfang habe beschäftigt werden sollen, wie er zuvor auch als Rechtsreferendar in der Kanzlei tätig gewesen sei. Während des Referendariats aber habe der Kläger nie einen 8-Stunden-Tag zu bewältigen gehabt. Vielmehr sei er oftmals nur stundenweise anwesend gewesen. Insgesamt sei „sein Einsatz sehr gering” gewesen. Dass die Parteien von einer 10–15 stündigen Wochenarbeitszeit ausgegangen seien, belege auch die Tatsache, dass der Kläger in dem Monat, in dem er den Beklagten wegen seiner Urlaubsabwesenheit vollzeitig vertreten habe, eine Vergütung von DM 3.000,– brutto monatlich bezogen habe. Auch die Arbeitszuweisung an den Kläger sei...