Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Sozialdatenschutz. Hinweispflicht auf Widerspruchsrecht gem § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB 7. Versanlassung. Gutachtenerstellung. sozialgerichtliches Verfahren. Zeitpunkt der Rüge einer Verletzung. letzte mündliche Verhandlung. Beweisverwertungsverbot. Zuleitung eines Gutachtens durch den Prozessbevollmächtigten an den Unfallversicherungsträger im Verwaltungsverfahren. Zurechnung der Prozesshandlung
Leitsatz (amtlich)
Der nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB 7 gebotene Hinweis des Unfallversicherungsträgers auf das Recht des Betroffenen, einer Übermittlung eines Gutachtens gemäß § 76 Abs 2 SGB 10 zu widersprechen, bezieht sich nur auf Gutachten, die von dem Unfallversicherungsträger selbst veranlasst worden sind.
Die Rüge des Verstoßes gegen § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB 7 kommt nach § 202 SGG iVm § 295 ZPO dann nicht mehr in Betracht, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der die Instanz abschließenden mündlichen Verhandlung den Verstoß nicht geltend gemacht hat, obgleich er zuvor Akteneinsicht genommen hatte.
Sofern der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Unfallversicherungsträger im Verwaltungsverfahren ein Gutachten zugeleitet hat, kann der Kläger später nicht geltend machen, er sei damit nicht einverstanden gewesen. Der Beteiligte im Verwaltungsverfahren muss sich sämtliche Handlungen seines Prozessbevollmächtigten nach § 13 Abs 1 S 2 SGB 10 zurechnen lassen. Das spätere Berufen auf fehlendes Einverständnis verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (venire contra factum proprium).
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Unfallfolgen und die Zahlung von Entschädigungsleistungen streitig.
Die Klägerin ist 1950 geboren und erlitt am 22. Dezember 1998 einen Autounfall, als sie sich in ihrer Eigenschaft als Inhaberin der Firma V. in N-Stadt auf der Rückkehr von einem Kundenbesuch befand. Während des Unfallgeschehens saß sie angeschnallt auf dem Beifahrersitz, als der mit Nackenstützen ausgerüstete Pkw wegen eines vorausfahrenden Fahrrades plötzlich abbremsen musste und ein nachfolgender Pkw auffuhr. Aufgrund des Aufpralls wurde die Klägerin aus der nach vorn gebeugten Position nach hinten geschleudert. Die Klägerin wurde am 23. Dezember bis zum 30. Dezember 1998 stationär in der Unfallchirurgie der Uniklinik C-Stadt behandelt, wo man einen Bandscheibenvorfall im Segment Halswirbelkörper (HWK) 6/7 nach Anfertigung von Röntgenbildern und MRT-Befunden (29. Dezember 1998) feststellte. Eine Wiederaufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit erfolgte nach dem Unfall nicht. Laut Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. K. vom 29. Dezember 1998 erlitt die Klägerin durch das Unfallereignis eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS).
Vom 9. März bis 14. April 1999 wurde die Klägerin in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGUK) in C-Stadt stationär behandelt. Laut Entlassungsbericht vom 29. April 1999 erlitt die Klägerin durch den angeschuldigten Unfall eine distorsielle Läsion der Halswirbelsäule sowie eine Prellung der linken Schulter. Sie wurde nach dem Bericht ab dem 19. April 1999 arbeitsfähig entlassen bei voraussichtlich nicht verbleibender Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Es folgte am 23. August 1999 eine Operation eines Engpasssyndroms an der linken Schulter in der BGUK C-Stadt. Laut dem Befundbericht des behandelnden Facharztes für Chirurgie WI. lautete die Diagnose “Impingement Syndrom linke Schulter, Ausschluss einer Rotatorenmanschettenruptur, chronischer cervicobrachialer Schmerzzustand links bei bekannter mediolateraler Bandscheibenprotrusion HWK 6/7„. Im Verwaltungsverfahren zog die Beklagte weitere medizinischen Unterlagen bei und holte Arztbriefe der behandelnden Ärzte ein. Ein im Auftrag der Kfz-Haftpflichtversicherung erstattetes unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten vom 28. Oktober 1999, erstellt durch Dr. PA., wurde der Beklagten vom KFZ-Versicherer direkt zugeleitet. Des Weiteren veranlasste sie Untersuchungen durch den Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Arzt Dr. PP. vom 13. Oktober 1999, der einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel diagnostizierte, sowie bei Dr. FL. vom 8. Oktober 1999, der bei der Klägerin ein Ulnaris-Innensyndrom beidseits, eher rechtsbetont, diagnostizierte sowie eine leichte Läsion des C7-Segments links. Auf Wunsch der Beklagten übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein KFZ-Sachverständigengutachten des Ingenieur-Büros E. vom 30. Dezember 1998.
Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Priv.-Doz. Dr. W. vom 2. März 2000, in welcher dieser ausführte, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit längstens bis zum 19. April 1999 gerechtfertigt sei, jedoch aus neurochirurgischer Sicht keine Unfallfolgen vorlägen und insbesondere eine MdE nicht zu erwa...