Christoph Tillmanns, Dr. Manuel Schütt
7.1 Gesetzgebungsstand
Mit Beschluss vom 13.9.2022 hat der Erste Senat des BAG unter Bezugnahme auf die CCOO-Entscheidung des EuGH entschieden, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer – zu der auch die Unterbrechung der Arbeitszeit durch Pausen gehört – aufzuzeichnen. Dies gilt für Arbeitgeber bereits ohne weitere gesetzgeberische Aktivitäten auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, der sie verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen.
In einem bekannt gewordenen Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 19.4.2023 zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes wird die Arbeitszeiterfassungspflicht nun konkretisiert.
Ob dieser Entwurf tatsächlich zu einem Gesetz führt, erscheint derzeit sehr fraglich, eine Ressortabstimmung hat seit dem Entwurf nicht stattgefunden und das Vorhaben wird in der "Ampelkoalition" kontrovers diskutiert. Der Entwurf sieht zudem für die Einführung eines elektronischen Systems der Arbeitszeiterfassung sehr großzügige Übergangsfristen vor. Diese sind nach Unternehmensgröße gestaffelt.
Aber auch ohne ein Gesetz gilt, dass die Arbeitgeber nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts die Arbeitszeit zu erfassen haben – nur eben nicht zwingend elektronisch.
7.2 Verpflichtung zur elektronischen Erfassung
Nach dem Referentenentwurf sollen die Arbeitgeber verpflichtetet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung "elektronisch" aufzuzeichnen. Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung wird nicht vorgeschrieben. Nach der Begründung des Entwurfs sollen neben den bereits gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung mithilfe von elektronischen Anwendungen, beispielsweise durch Apps auf einem Mobiltelefon oder durch die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme, in Betracht kommen.
Nicht zulässig sind nach dem Referentenentwurf jedoch Aufzeichnungen, die erst im Anschluss digitalisiert werden, z. B. das Einscannen von zuvor schriftlich auf Papier erfassten Zeiten.
Von der Pflicht zur elektronischen Erfassung ausgenommen werden Arbeitgeber mit bis zu 10 Arbeitnehmern; außerdem Arbeitgeber von Hausangestellten in einem Privathaushalt sowie ausländische Arbeitgeber ohne Betriebsstätte in Deutschland, die maximal 10 Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden.
7.3 Öffnung für die Tarifvertragsparteien
Regeln können die Tarifvertragsparteien in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags, die Arbeitgeber zudem mit dem Betriebs- oder Personalrat in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung, dass die Aufzeichnung der Arbeitszeit auch in nichtelektronischer Form erfolgen kann. Ebenso kann geregelt werden, dass die Aufzeichnung statt taggenau am Tag der Arbeitsleistung auch an einem anderen Tag erfolgen kann, spätestens aber bis zum Ablauf des 7. auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages. Außerdem können die Tarifvertragsparteien bzw. bei einer Tariföffnungsklausel auch die Betriebsparteien bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern generell von der Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit ausnehmen. Dies soll für Arbeitnehmer möglich sein, bei denen die gesamte Arbeitszeit (Dauer und Lage) wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann. Dies entspricht der Formulierung aus Art. 17 Abs. 1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie, die insoweit Abweichungen ausdrücklich zulässt.
Beispielhaft nennt Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie:
- Leitende Angestellte oder sonstige Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis.
- Arbeitskräfte, die Familienangehörige sind.
- Arbeitnehmer, die im liturgischen Bereich von Kirchen oder Religionsgemeinschaften beschäftigt sind.
In der Entwurfsbegründung wird hinsichtlich des für die Ausnahme in Betracht kommenden Personenkreises beispielhaft auf Führungskräfte, herausgehobene Experten oder Wissenschaftler hingewiesen, "die nicht verpflichtet sind, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein, sondern über den Umfang und die Einteilung ihrer Arbeitszeit selbst entscheiden können". Leitende Angestellte i. S. v. § 5 Abs. 3 BetrVG bleiben nach § 18 ArbZG weiterhin aus dem Geltungsbereich des ArbZG und damit von der Erfassungspflicht ausgenommen.
7.4 Modalitäten der Arbeitszeiterfassung
Die elektronische Aufzeichnung kann durch den Arbeitnehmer oder einen Dritten erfolgen; der Arbeitgeber bleibt aber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich. Nach der Entwurfsbegründung muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnungen anleiten und Aufzeichnungen durch Stichproben regelmäßig kontrollieren.
Wenn die Aufzeichnung durch den Arbeitnehmer erfolgt und der Arbeitgeber auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet (= Vertrauensarbeitszeit), hat der Arbeitgeber nach dem Gesetzentwurf durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm Verstöße ge...