Rz. 75
Die Vorschrift erstreckt die Haftung nach Abs. 3a auf ein drittes Unternehmen nach den weiter dort genannten Maßgaben. Ziel der Vorschrift ist es, Umgehungsgeschäfte zu unterbinden. Eingangsvoraussetzung ist, dass der nach Abs. 3a haftende Hauptunternehmer einen Nachunternehmer beauftragt, der wiederum ein "nächstes Unternehmen" beauftragt. Die Kette ist dann wie folgt zu skizzieren: Hauptunternehmer – unmittelbarer Nachunternehmer – mittelbarer Nachunternehmer.
Rz. 76
Das ist grundsätzlich legal, wenngleich mit Komplikationen verbunden, die die Gesetzesbegründung wie folgt umschreibt (BT-Drs. 14/8221):
Zitat
Werden vom Nachunternehmer weitere Nachunternehmer zur Durchführung des Werkes eingeschaltet, so verringern sich die Möglichkeiten des Hauptunternehmers, die Erfüllung der Zahlungspflicht der weiteren Nachunternehmer festzustellen, gleichwohl hat er alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Erfüllung der weiteren Zahlungspflichten sicherzustellen. Daher gehört es u. a. zur Sorgfaltspflicht des Hauptunternehmers, seine Nachunternehmer nachweisbar zu verpflichten, ihrerseits die Erfüllung der Zahlungspflicht der weiteren Nachunternehmer zu prüfen und sich entsprechende Nachweise stichprobenartig und regelmäßig vorlegen zu lassen.
Nun hat sich erwiesen, dass eine derart legale Unternehmenskette nicht selten konstruiert worden ist, um die Haftung nach Abs. 3a zu unterlaufen. Dem beugt Abs. 3e vor.
Rz. 77
Hiernach erstreckt sich die Haftung nach Abs. 3a auf das vom Nachunternehmer beauftragte mittelbare Nachunternehmen, wenn die Beauftragung des unmittelbaren Nachunternehmers bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände als ein Rechtsgeschäft anzusehen ist, dessen Ziel vor allem die Auflösung der Haftung nach Abs. 3a sein soll. Der Gesetzgeber verlangt mithin, das rechtliche Verhältnis zwischen dem Hauptunternehmer und dem unmittelbaren Unternehmer einer intensiven Prüfung zu unterziehen. Die Beweislast liegt hier – anders im Fall des Abs. 3b (vgl. Rz. 66) – bei der Einzugsstelle. Zu würdigen sind alle Gesamtumstände. Maßgeblich hierfür ist die Verkehrsanschauung im Baubereich (§ 28e Abs. 3e Satz 2). Hieraus muss folgen, dass Ziel des betreffenden Rechtsgeschäfts vor allem die Auflösung der Haftung nach Abs. 3a ist. Das Wort "Ziel" umschreibt ein final ausgerichtetes "Wollen" bzw. eine Absicht. Lässt sich diese aus den Gesamtumständen nicht nachweisen, greift die Haftungserstreckung nicht.
Rz. 78
Angereichert ist die solchermaßen zu interpretierende Finalität mit dem Attribut "vor allem". Das meint, dass das "Wollen" nicht allein darauf ausgerichtet sein muss, einen Umgehungstatbestand zu konstruieren. Eine davon abweichende Motivationslage kann hinzutreten. Diese allerdings muss von eher untergeordneter Bedeutung sein. Der Nachweis einer solch inneren Tatsache wird schwer zu erbringen sein, selbst wenn objektive Indizien auf eine Absicht hindeuten.
Rz. 79
Der Gesetzgeber hat das Dilemma erkannt und mit § 28e Abs. 3e Satz 3 drei Umgehungstatbestände formuliert. Diese präzisieren den Begriff "Rechtsgeschäft" und die ergänzende Wortfolge "..., dessen Ziel vor allem die Auflösung der Haftung nach Abs. 3a ist". Die Verwirklichung eines dieser Umgehungstatbestände bedeutet nicht zwingend, dass allein schon deswegen ein Rechtsgeschäft i. S. d. Satz 1 vorliegt. Der einem der Umgehungstatbestände zuzuordnende Sachverhalt ist vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen und verdichtet diese dahin, dass "in der Regel" ein Umgehungsrechtsgeschäft vorliegen wird. Ausreichend ist es, wenn eine der in den Buchstaben a) bis c) umschriebenen Fallgestaltungen vorliegt.
Rz. 80
Die Beweislast trifft insoweit die Einzugsstelle. Will der Unternehmer den Beweis erschüttern (Gegenbeweis) oder das Gegenteil beweisen, dann obliegt es ihm, die dies tragenden Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen.
Rz. 81
Einschränkend ist die Wendung "in der Regel" nicht als lediglich beispielhafte Aufzählung von Umgehungstatbeständen anzusehen, die durch vergleichbare Fallgestaltungen angereichert werden können. Die Wortfolge "in der Regel" hat insoweit eine andere Bedeutung als das Adverb "insbesondere" oder gar das offene "zum Beispiel". Die gelisteten Umgehungstatbestände sind abschließend. Ihre Funktion beschränkt sich i. S. einer Beweiserleichterung darauf, die Einzugstelle davon freizustellen, die diffusen Voraussetzungen des Abs. 3e Satz 1 nachweisen zu müssen. Stattdessen müssen die deutlich konkreteren Voraussetzungen des Abs. 3e Satz 3 nachgewiesen werden.
Rz. 82
Nach Buchst. a ist ein Umgehungstatbestand i. d. R. dann anzunehmen, wenn der unmittelbare Nachunternehmer weder selbst eigene Bauleistungen noch planerische oder kaufmännische Leistungen erbringt. Der unmittelbare Nachunternehmer ist der vom Hauptunternehmer beauftragte Unternehmer. Der mittelbare Nachunternehmer (hierzu Rz. 75) wird von der Vorschrift nicht erfasst. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder ...