Rechtsgrundlage
SGB IV § 64 Beschlußfassung
0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist am 1.7.1977 in Kraft getreten (Art. 2 § 21 Abs. 1). Sie hat die bis dahin geltenden Regelungen nach § 4 Abs. 3 bis 5 des Selbstverwaltungsgesetzes (SVwG) ersetzt.
Das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3242) hat ab 1.10.2005 im Hinblick auf die durch dieses Gesetz durchgeführten organisatorischen Änderungen in der Rentenversicherung der Vorschrift den Abs. 4 angefügt. Abs. 4 wurde dann durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und zur Änderung anderer Gesetze v. 15.7.2009 (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung zum 20.7.2009 terminologisch angepasst.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift betrifft die Voraussetzungen der Beschlussfähigkeit der Selbstverwaltungsorgane (Abs. 1), die für Beschlüsse erforderliche Stimmenzahl (Abs. 2), das Verfahren bei Eilbedürftigkeit (Abs. 3) und das im Bereich der Rentenversicherung geltende abweichende Stimmquorum (Abs. 4).
2 Rechtspraxis
2.1 Beschlussfähigkeit (Abs. 1)
Rz. 3
Beschlussfähigkeit setzt neben der ordnungsgemäßen Ladung sämtlicher Mitglieder (einschließlich Stellvertreter) deren mehrheitliche Anwesenheit und Stimmberechtigung voraus (Satz 1). Da Satz 1 jedoch – hinsichtlich der Mindestanforderungen – kein zwingendes Recht ist, kann die Satzung eine qualifizierte Mehrheit vorschreiben. Dies erfolgt teilweise bei Versicherungsträgern in der Form, dass zur Beschlussfähigkeit die Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der Mitglieder gemacht wird. Nicht stimmberechtigt ist ein Organmitglied. das sein Amt gemäß § 59 Abs. 3 Satz 2 (also bei sofortigem Vollzug eines Amtsenthebungsbeschlusses) nicht ausüben kann. Auch von den Regelungen nach § 63 Abs. 3a oder 4 Satz 1 (Anwesenheitsverbot) betroffene Mitglieder können im Umfang des Anwesenheitsverbots nicht abstimmen. Bei mangelnder Beschlussfähigkeit kann in der nächsten Sitzung unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne die erforderliche Anzahl der Mitglieder abgestimmt werden.
2.2 Erforderliche Stimmenzahl (Abs. 2 und 4)
Rz. 4
Bei der erforderlichen "Mehrheit der abgegebenen Stimmen" sind Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen nicht zu berücksichtigen. Von diesem Grundsatz abweichende Regelungen finden sich etwa in der gesetzlichen Regelung des § 62 Abs. 2 (Mehrheit der abgegebenen Stimmen) oder in Satzungsregelungen, die für Änderungen der Satzung die Stimmenzahl von mindestens zwei Dritteln der Anwesenden fordert.
Rz. 5
Auch die der Vorschrift mit Wirkung ab 1.10.2005 angefügte Regelung zur Rentenversicherung nach Abs. 4 fordert für Beschlüsse des Bundesvorstandes und der Bundesvertreterversammlung der DRV Bund in der neuen Organisationsstruktur eine qualifizierte (Zwei-Drittel-)Mehrheit.
2.3 Verfahren bei Eilbedürftigkeit (Abs. 3)
Rz. 6
In eiligen Fällen können Beschlüsse ohne Sitzung schriftlich gefasst werden (Satz 1). Diese Ausnahme ist jedoch nur bei Eilbedürftigkeit zulässig, weil damit dem Organ die Möglichkeit der Beratung genommen wird. Eilbedürftigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Abwarten bis zur nächsten Sitzung nicht möglich ist. Uneingeschränkt gilt dies für den Vorstand, für die Vertreterversammlung jedoch nur, wenn die Satzung es zulässt (Satz 2), was nur bei einem Teil der Versicherungsträger der Fall ist. Widerspricht mindestens ein Fünftel der Mitglieder eines Selbstverwaltungsorgans, so muss über die Angelegenheit in der nächsten Sitzung beraten und abgestimmt werden (Satz 3).