0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 205 ist gemäß Art. 1 RRG 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten (Art. 85 Abs. 1 RRG 1992).
1 Allgemeines
Rz. 1a
§ 1 Satz 1 Nr. 1 regelt, dass Personen, die als abhängig Beschäftigte (§ 7 Abs. 1 SGB IV) gegen Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 SGB IV) oder zu ihrer Berufsausbildung (§ 7 Abs. 2 SGB IV) beschäftigt sind, grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen.
Mit dem vorrangigen Ziel, inhaftierten Personen während ihres Aufenthalts in einer Strafvollzugsanstalt eine tägliche wiederkehrende Struktur zu geben, sind in der Bundesrepublik Deutschland auch Strafgefangene zur Ausübung einer ihnen zugewiesenen Arbeit verpflichtet, soweit diese ihren Fähigkeiten angemessen entspricht (§ 41 Strafvollzugsgesetz – StVollG). Hierfür erhalten sie ein pauschales Arbeitsentgelt, das sich an der jährlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) orientiert, allerdings aufgrund seiner geringen Höhe nicht geeignet ist, für Zeiten der Inhaftierung eine auskömmliche Alterssicherung aufzubauen.
Bei voller Arbeitsleistung erhalten Strafgefangene einen Tagessatz in Höhe des 250. Teils der sog. "Eckvergütung", die 9 % der jährlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) beträgt (Bezugsgröße/West 2024 = 42.420 EUR x 9 % = 3.817,80 EUR Eckvergütung : 250 = 15,27 EUR tägliches Arbeitsentgelt; der Stundenlohn liegt somit bei etwa 1,91 EUR). Dieser Betrag kann bei eingeschränkter Arbeitsleistung auf bis zu 75 % gekürzt werden. Je nach landesgesetzlicher Regelung und individueller Arbeitsleistung erhalten Strafgefangene in der Bundesrepublik Deutschland derzeit einen Stundenlohn zwischen 1,43 EUR und 2,30 EUR.
Damit stehen Strafgefangene gegenüber der Strafvollzugsanstalt in einem sog. "faktischen Beschäftigungsverhältnis", sodass sie grundsätzlich auch der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen könnten.
Rz. 2
Zur versicherungsrechtlichen Beurteilung dieses Personenkreises ist zwischen Strafgefangenen zu unterscheiden, die in Eigenbetrieben der Strafvollzugsanstalten tätig sind bzw. von ihrer Haftanstalt an private Unternehmen "verliehen" werden und solchen, die als sog. Freigänger in einem Unternehmen außerhalb der Haftanstalt eine abhängige Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB IV) gegen Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 SGB IV) oder zur Berufsausbildung (§ 7 Abs. 2 SGB IV) ausüben, die auf einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag/Ausbildungsvertrag beruht.
Dabei begründen Beschäftigungen/Berufsausbildungen in Eigenbetrieben von Strafvollzugsanstalten keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, weil es sich nicht um "freie Beschäftigungsverhältnisse" i. S. d. Sozialgesetzbuches handelt. Gleiches gilt für Beschäftigungen von Strafgefangenen, die von ihrer Haftanstalt an ein privates Unternehmen "verliehen" werden. Hierbei handelt es sich nicht um eine "Arbeitnehmerüberlassung" im sozialversicherungsrechtlichem Sinne. In diesen Fällen zahlt die Strafvollzugsanstalt dem Inhaftierten die für Strafgefangene übliche Vergütung und stellt dem privaten Unternehmen die zur Verfügung gestellte Arbeitsleistung in Rechnung.
Für Strafgefangene, die als sog. Freigänger aufgrund eines Arbeitsvertrages/Ausbildungsvertrages bei einem privaten Unternehmen gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung abhängig beschäftigt sind (§§ 7 Abs. 1 oder 2, 14 Abs. 1 SGB IV), besteht dagegen Sozialversicherungspflicht (in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1). Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für das dem Strafgefangenen zustehende Arbeitsentgelt (bzw. für die Ausbildungsvergütung) gemäß § 28d SGB IV an die jeweilige Beitragseinzugsstelle zu zahlen hat und für diese Beschäftigungszeiten gemäß § 55 Abs. 1 Pflichtbeitragszeiten anzuerkennen sind.
Rz. 2a
Darüber hinaus könnte ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV zu Beginn einer Strafverfolgungsmaßnahme auch ohne Arbeitsentgelt für max. einen Monat fortbestehen (vgl. Komm. zu § 7 SGB IV, Rz. 187 bis 202).
Rz. 2b
Die obigen Ausführungen machen deutlich, dass Zeiten der Verbüßung von Strafverfolgungsmaßnahmen (= Untersuchungshaft, Strafhaft oder sonstige Strafverfolgungsmaßnahmen) i. d. R. versicherungsrechtliche Lücken zur Folge haben, die sich sowohl auf mögliche Rentenansprüche als auch auf die Rentenhöhe negativ auswirken könnten.
Rz. 2c
Vor diesem Hintergrund eröffnet § 205 Abs. 1 Satz 1 Versicherten die Möglichkeit der Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für Zeiten von Strafverfolgungsmaßnahmen, für die ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) v. 8.3.1971 (BGBl. I S. 157) durch Urteil oder Beschluss des zuständigen Gerichts rechtskräftig festgestellt worden ist.
Rz. 2d
Abs. 1 der Vorschrift bestimmt den zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen berechtigten Personenkreis sowie die Rechtsfolgen einer wirksamen Beitragsnachzahlung. Ergänzend zu ...