Rz. 6
Unter bestimmten Voraussetzungen und abweichend von § 29 VwVfG kann die Behörde Einsichtnahme in die Akten verweigern, wenn Angaben und Vorgänge der in Abs. 2 und 3 genannten Art Gegenstand der Akten sind. Die Akteneinsicht kann aber von der Behörde regelmäßig nicht vollständig verweigert werden. Ggf. sind die von der Einsichtnahme ausgeschlossenen Aktenteile zuvor aus der Akte zu entfernen. Die Entscheidung darüber, ob und welche Aktenteile von der Einsichtnahme ausgenommen werden, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Sie hat dabei zu berücksichtigen, dass sie ihre Entscheidung nicht auf Beweiserhebungen und Unterlagen stützen darf, die für den Berechtigten ungünstig sind und deren Bekanntgabe sie ihm verweigert hat.
Rz. 7
Soweit die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse eines Beteiligten enthalten, kann (Ermessen) die Behörde dem Beteiligten den Inhalt der Akten durch einen Arzt vermitteln lassen (vgl. Abs. 2 Satz 1 und 2). Dies kann jeder dazu bereite und geeignete Arzt – Arzt des ärztlichen Dienstes der Behörde, Arzt des MDK, behandelnder Arzt – sein und erscheint im Fall von Befürchtungen angebracht, dass die Akteneinsicht dem Beteiligten einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere an seiner Gesundheit (z. B. bei lebensbedrohender Krankheit), zufügen würde. Trotz Eröffnung durch einen Arzt kann ein Beteiligter selbst Akteneinsicht nehmen, auch wenn die Akten Angaben über gesundheitliche Verhältnisse des bzw. der Beteiligten enthalten. Die Akteneinsicht ist dem bzw. den Beteiligten auch dann zu gewähren, wenn von vornherein eindeutig eine Vermittlung gemäß Abs. 2 Satz 1 abgelehnt wird, Abs. 2 Satz 4.
Nach Abs. 2 Satz 2 ist das Ermessen regelmäßig auf null reduziert, wenn durch die Akteneinsicht ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Beteiligten zu befürchten ist.
Rz. 8
Soweit die Akten Angaben enthalten, die die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit des Beteiligten beeinträchtigen können, kann die Behörde dem Beteiligten den Inhalt der Akten ebenfalls durch einen Arzt vermitteln lassen(vgl. Abs. 2 Satz 3). Anstelle eines Arztes kann der Akteninhalt auch durch einen Bediensteten der Behörde, der durch Vorbildung sowie Lebens- und Berufserfahrung dazu geeignet und befähigt ist, vermittelt werden. Abs. 2 regelt Ersatzvermittlungen des Akteninhalts durch geeignete Personen, die jedoch nicht erzwungen werden können, denn das Akteneinsichtsrecht nach Abs. 1 wird dadurch nicht beschränkt, Abs. 2 Satz 4.
Rz. 9
Im Gegensatz zu Abs. 2 enthält Abs. 3 ein Verweigerungsrecht der Behörde. Die Regelung greift nur ein, wenn die Akten Angaben über andere Beteiligte oder über dritte, nicht am Verfahren beteiligte Personen enthalten. Das berechtigte Interesse erfasst jedes öffentlich-rechtliche und privatrechtliche anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Art, z. B. Angaben zur Intimsphäre, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Gesundheits- oder Rechtsangelegenheiten Dritter, Betriebsgeheimnisse u.Ä.. Beteiligter i. S. v. Abs. 3 ist der in § 12 genannte Personenkreis. Wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, hat die Behörde bei der Gewährung von Akteneinsicht hinsichtlich der Geheimhaltung jeweils zu prüfen, ob in der Verfahrensakte personenbezogene Daten anderer Beteiligter oder dritter Personen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anderer Beteiligter oder Dritter oder sonstige geheimhaltungsbedürftige Angaben enthalten sind. Wenn keine Einwilligung bzw. Zustimmung des Betroffenen vorliegt, darf Akteneinsicht in diese Akten nicht gewährt werden. Im Einzelfall können trotz Einwilligung des Betroffenen fortbestehende Interessen Dritter zu berücksichtigen sein, die das Individualinteresse des Beteiligten übersteigen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 1.7.2011, L 8 U 3577/10).