Rz. 17
Abs. 2 Satz 1 enthält eine Tatsachenvermutung: "Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht … gleich …". Abs. 2 Satz 2 zeigt die Reichweite und die Grenze der Vermutung auf. Voraussetzung für das Eingreifen der Vermutung ist, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4101 (Silikose), 4102 (Siliko-Tuberkulose), 4103 (Asbestose) oder 4104 (Lungenkrebs infolge von Asbestose, asbestbedingter Erkrankung der Pleura oder nach einer bestimmten beruflichen Asbestbelastung) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) zu Lebzeiten um 50 % oder mehr gemindert war. Dem liegt der Erfahrungssatz zugrunde, dass eine zu Lebzeiten bereits festgestellte Berufskrankheit der genannten Art i. d. R. die wesentliche Ursache für den Tod des Versicherten darstellt. Zugunsten der Hinterbliebenen sollen vor allem aus Gründen der Pietät die Anforderungen an den Nachweis des Zusammenhangs verringert werden (Burchardt, in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: Januar 2005, § 63 SGB VII Rz. 41 f.). Die Vermutung bezieht sich nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck nur auf die jeweils anerkannte Berufskrankheit (BSG, Urteil v. 15.2.2005, B 2 U 3/04 R).
Rz. 18
Die Vermutung legt denknotwendig auch zugrunde, dass die bisher nur gegenüber dem verstorbenen Versicherten festgestellte Berufskrankheit nicht mit Wirkung gegenüber den Hinterbliebenen erneut festgestellt werden muss. Die Vermutung greift auch dann ein, wenn erst nach dem Tode des Versicherten die Lebzeitenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 % oder mehr aufgrund einer der genannten Berufskrankheiten festgestellt wird. Die Vermutung ist auch dann anzuwenden, wenn der Versicherte zu seinen Lebzeiten vor Eintritt der unter diese Vorschrift fallenden Berufskrankheit aus anderen Gründen dauernd völlig erwerbsunfähig war, die Berufskrankheit für sich allein aber eine MdE von 50 % oder mehr ohne die unabhängigen Leiden hervorgerufen haben würde (BSG, Urteil v. 29.5.1980, 5 RKnU 2/79; Urteil v. 12.11.1970, 5 RKn 23/68).
Rz. 19
Offenkundigkeit i. S. v. Abs. 2 Satz 2 ist gegeben, wenn aufgrund des Beweisergebnisses die Berufskrankheit mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nicht rechtlich wesentliche Ursache des Todes des Versicherten ist, die Berufskrankheit mithin den Tod des Versicherten weder im medizinischen Sinne erheblich mitverursacht noch ihn um wenigstens ein Jahr beschleunigt hat (BSG, Urteil v. 7.2.2006, B 2 U 31/04 R). Um die Vermutung zu widerlegen, reicht es nicht aus, dass die Todesursache medizinisch ungeklärt ist. Nur dann, wenn der ursächliche Zusammenhang lediglich eine entfernt liegende theoretische Möglichkeit darstellt, liegt Offenkundigkeit vor und die Vermutung ist widerlegt. Bloße Zweifel reichen nicht aus; sie genügen den Anforderungen der Offenkundigkeit nicht. Die objektive Beweislast für die Offenkundigkeit trägt der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung; zu seinen Lasten geht also die mangelnde Offenkundigkeit (BSG, Urteil v. 4.8.1981, 5a/5 RKnU 2/80).