Rz. 92
Abs. 4 Satz 1 übernimmt die bereits zuvor in § 3 Abs. 1 Satz 2 BKV geregelte Verpflichtung der Unfallversicherungsträger bei den Versicherten darauf hinzuwirken, eine gefährdende Tätigkeit zu unterlassen, wenn sich nicht die Gefahr beseitigen lässt, dass die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert. Anders als § 3 Abs. 1 BKV setzt Abs. 4 Satz 1 jedoch voraus, dass die Berufskrankheit bereits entstanden und anerkannt worden ist. Präventivmaßnahmen vor der Entstehung und Anerkennung der Berufskrankheit sind mithin weiterhin allein in § 3 Abs. 1 BKV vorgesehen (vgl. die Komm. zu § 3 BKV Rz. 8). Weitere Voraussetzung ist die Gefahr des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung der Berufskrankheit. Zu fordern ist eine individuelle Gefahr im Einzelfall, die über die generelle Gefahr hinausgeht, die durch die im Berufskrankheitentatbestand genannte schädigende Einwirkung verursacht wird. Es genügt bereits die statistisch erhöhte Möglichkeit des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit (BSG, Urteil v. 22.3.1983, 2 RU 22/81; Urteil v. 16.3.1995, 2 RU 18/94; Urteil v. 20.2.2001, B 2 10/00 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 20.2.2003, L 2 U 67/02). Das Risiko des Schadenseintritts muss jedenfalls am konkreten Arbeitsplatz des Versicherten über den Grad hinausgehen, der bei anderen Versicherten bei einer vergleichbaren Beschäftigung besteht.
Rz. 93
Da die Beurteilung in Bezug auf eine künftig entstehende, wiederauflebende oder sich verschlimmernde Berufskrankheit durchgeführt werden muss, ist eine Risikoprognose vorzunehmen. Dabei müssen die betrieblichen und die individuellen Risikofaktoren wertend betrachtet und abgewogen werden. Dies macht die Anwendung der vom BSG (a. a. O.) kreierten Risikoerhöhungsformel äußerst schwierig. Die Formel von der statistisch erhöhten Möglichkeit sollte den Blick nicht dafür verstellen, dass die Prognose nicht bloß die Möglichkeit, sondern die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung im Einzelfall ergeben muss (vgl. im Übrigen die Komm zu § 3 BKV Rz. 4 ff.).
Als wichtige Kriterien bei der Risikoabschätzung im Einzelfall werden genannt (Mehrtens/Perlebach, § 3 BKV Anm. 2.7):
- Art und Ausprägung der gesundheitlichen Risikofaktoren,
- Art und Intensität der Einwirkungen,
- Ausprägung des individuellen Krankheitsverlaufs
- sowie Schwere der drohenden körperlichen Schädigungen.
Die zu der Gefährdung führenden Einwirkungen müssen in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die versicherte Tätigkeit zumindest eine rechtlich wesentliche Teilursache in Bezug auf das drohende Wiederaufleben oder die Verschlimmerung der Berufskrankheit sein kann.