LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.6.2024, 5 Sa 255/23
Unterbricht ein Betriebsratsmitglied eigenmächtig seinen Erholungsurlaub für Amtsgeschäfte, besteht kein Anspruch auf Gutschrift der dafür aufgewendeten Zeit.
Sachverhalt
Der Kläger ist Vorsitzender Betriebsrat bei der Beklagten, welche hauptsächlich Verpackungen für die Zigarettenindustrie produziert, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden. Es wurde ein Arbeitszeitkonto geführt. Es fanden die Tarifverträge für die gewerblichen Beschäftigten in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie Anwendung. Der Kläger beantragte vom 19. bis zum 23.12.2022 5 Tage Erholungsurlaub, welche auch genehmigt wurden. 2 Tage später informierte er den Geschäftsführer der Beklagten, dass am 21.12.2022 eine Betriebsversammlung stattfinde. Nach eigenen Angaben unterbrach der Kläger deshalb seinen Erholungsurlaub, um die Versammlung am 20.12.2022 von 10.00 bis 14.30 Uhr vorzubereiten, am 21.12.2022 von 9.00 bis 17.15 Uhr durchzuführen und am 22.12.2022 von 12.45 bis 18.30 Uhr nachzubereiten. Er verlangte von der Beklagten, seinem Arbeitszeitkonto deshalb 18,5 Stunden gutzuschreiben, weil er seinen Erholungsurlaub für Betriebsratstätigkeiten in diesem Umfang unterbrochen habe.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das LAG entschied, dass der Kläger neben der Gutschrift von 22,5 Stunden (3 Tage x 7,5 Stunden) wegen seines Urlaubs an diesen Tagen darüber hinaus keine weitere Zeitgutschrift von 18,5 Stunden beanspruchen könne; denn der Anspruch folge weder aus § 37 Abs. 2 noch Abs. 3 BetrVG. Der Kläger habe aufgrund seiner Betriebsratstätigkeiten, die er in seinem Erholungsurlaub ausgeübt habe, keinen Anspruch auf zusätzliche Arbeitsbefreiung im Umfang von 18,5 Stunden und daher auch nicht auf die erstrebte Berichtigung des Arbeitszeitkontos durch eine entsprechende Gutschrift.
Das Gericht führte aus, dass nach § 37 Abs. 2 BetrVG nicht freigestellte Mitglieder des Betriebsrats zur Durchführung erforderlicher Betriebsratstätigkeit ohne Entgeltminderung von der Arbeitsleistung zu befreien seien. Im vorliegenden Fall könne hieraus deshalb kein Anspruch hergeleitet werden, da der Kläger in seinem Erholungsurlaub gar nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei.
Auch § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sei nach Auffassung des Gerichts hier nicht einschlägig. Hiernach habe ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus "betriebsbedingten Gründen" außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen sei, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. "Betriebsbedingte Gründe" i. S. d. § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG lägen jedoch nur vor, wenn betriebliche Gegebenheiten und Sachzwänge innerhalb der Betriebssphäre dazu geführt hätten, dass die Betriebsratstätigkeit nicht während der Arbeitszeit habe durchgeführt werden können. Es müsse sich um Gründe handeln, die sich aus der Eigenart des Betriebs, der Gestaltung des Arbeitsablaufs oder der Beschäftigungslage ergeben oder wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen könne. Vom Vorliegen betriebsbedingter Gründe könne, so das LAG weiter, jedoch grds. nicht ausgegangen werden, wenn sich ein Betriebsratsmitglied entschließt, während der ihm erteilten Arbeitsbefreiung Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen; denn hierfür spreche § 37 Abs. 1 BetrVG, wonach Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt ausübten. Das Ehrenamtsprinzip wahre die innere und äußere Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder und stärke maßgeblich das Vertrauen der vom Betriebsrat vertretenen Beschäftigten darauf, dass die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte durch den Betriebsrat nicht durch die Gewährung oder den Entzug materieller Vorteile für die Betriebsratsmitglieder beeinflussbar sei. Deshalb sei es mit dem Ehrenamtsprinzip nicht vereinbar, wenn Betriebsratsmitglieder durch ihre Betriebsratstätigkeit zusätzliche Vergütungsansprüche erwerben würden. Dasselbe ergebe sich auch aus § 78 Satz 2 BetrVG, wonach die Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürften. Deshalb wäre eine Vergütung der Betriebsratstätigkeit mit dem Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG und dem Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG unvereinbar, da der Kläger in seinem Urlaub Entgelt und eine Stundengutschrift von 7,5 Stunden pro Urlaubstag erhalten habe. Und entsprechend dem aus § 37 Abs. 2 BetrVG und dem Grundsatz der Ehrenamtlichkeit in § 37 Abs. 1 BetrVG folgenden Lohnausfallprinzip stehe den Betriebsratsmitgliedern nur dasjenige Entgelt zu, das sie verdient hätten, wenn sie an Stelle der Betriebsratstätigkeit während ihrer Arbeitszeit die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht hätten.
Zudem könne im Fall der Verhinderung, was Urlaub unstreitig darstellt, der Betriebsratsvorsitzende nach § 26 Abs. 2 BetrVG von einem stellvertretenden Mi...