Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Betriebsratmitglieds auf Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto für Betriebsratstätigkeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Betriebsratsmitglied hat aufgrund seiner Betriebsratstätigkeiten, die er in seinem Erholungsurlaub ausgeübt hat, keinen Anspruch auf zusätzliche Arbeitsbefreiung und daher auch keinen Anspruch auf eine entsprechende Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto.
2. Ferner liegen regelmäßig keine "betriebsbedingten Gründe" vor, wenn sich ein Betriebsratsmitglied entschließt, während seines Erholungsurlaubs Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 2-3, § 78
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 04.10.2023; Aktenzeichen 1 Ca 189/23) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 4. Oktober 2023, Az. 1 Ca 189/23, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto, die der Kläger für Betriebsratstätigkeiten geltend macht.
Die Beklagte produziert insbesondere Verpackungen für die Zigarettenindustrie. Sie beschäftigt unter 100 Arbeitnehmer. Der Kläger ist Vorsitzender des fünfköpfigen Betriebsrats, seine Wochenarbeitszeit beträgt 37,5 Stunden, der Stundenlohn rund € 20,00 brutto. Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto. Beide Parteien sind kraft Mitgliedschaft an die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie gebunden.
Der Kläger beantragte am 22. November 2022 Erholungsurlaub für fünf Arbeitstage vom 19. bis 23. Dezember 2022, den ihm die Beklagte genehmigte. Zwei Tage später informierte er den Geschäftsführer, dass am 21. Dezember 2022 eine Betriebsversammlung stattfinde. Nach eigenen Angaben unterbrach der Kläger seinen Erholungsurlaub, um die Versammlung am 20. Dezember 2022 von 10:00 bis 14:30 Uhr (4,5 Stunden) vorzubereiten, am 21. Dezember 2022 von 09:00 bis 17:15 Uhr (8,25 Stunden) durchzuführen und am 22. Dezember 2022 von 12:45 bis 18:30 Uhr (5,75 Stunden) nachzubereiten. Der Kläger verlangte von der Beklagten vergeblich, seinem Arbeitszeitkonto 18,5 Stunden gutzuschreiben, weil er seinen Erholungsurlaub für Betriebsratstätigkeiten in diesem Umfang unterbrochen habe.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto für den Zeitraum vom 20. bis 22. Dezember 2022 18 Stunden und 30 Minuten gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 4. Oktober 2023 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung bei einem Streitwert von € 370,00 zugelassen. Zur Begründung der Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, ein Anspruch auf Stundengutschrift folge nicht aus § 611a Abs. 1 BGB iVm. § 37 Abs. 2 BetrVG. Es sei nicht erforderlich gewesen, den Kläger vom 20. bis 22. Dezember 2022 für Betriebsratsaufgaben von seiner Arbeit zu befreien, weil er wegen Erholungsurlaubs ohnehin nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Den Urlaub habe der Kläger nicht einseitig unterbrechen können. Soweit sich der Kläger auf eine betriebliche Übung berufe, weil er in der Vergangenheit den Urlaub regelmäßig für Betriebsratstätigkeiten unterbrochen habe und ihm diese Zeit auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben worden sei, habe er den bestrittenen Vortrag nicht hinreichend konkretisiert. Auch aus § 37 Abs. 3 BetrVG könne der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht herleiten. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände könne nicht vom Vorliegen "betriebsbedingter Gründe" für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit ausgegangen werden, wenn sich ein Betriebsratsmitglied entschließe, während seines Urlaubs Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen (vgl. BAG 28.05.2014 - 7 AZR 404/12 - Rn. 29). Wegen weiterer Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 4. Oktober 2023 Bezug genommen.
Gegen das am 23. Oktober 2023 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 21. November 2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 29. Januar 2024 verlängerten Frist mit Schriftsatz vom12. Januar 2024 begründet.
Er ist der Ansicht, der geltend gemachte Anspruch auf Zeitgutschrift ergebe sich aus betrieblicher Übung. Hierzu habe er bereits erstinstanzlich hinreichend vorgetragen. Die Beklagte habe eine betriebliche Übung wider besseres Wissen bestritten. Er beziehe sich sowohl auf seine Arbeitszeitabrechnungen als auch auf die Abrechnungen der Betriebsratsmitglieder Z., Y. und X.. Am 20. Januar 2022 (Fall 1) habe er seinen Erholungsurlaub wegen wichtiger Betriebsratsangelegenheiten unterbrochen. Die Beklagte habe seine Betriebsratst...