Mit Urteil vom 25.4.2013 hat sich das BAG mit der Rückforderung zu viel gezahlter kinderbezogener Besitzstandszulage, insbesondere dem Beginn der tariflichen Ausschlussfrist von 6 Monaten bei rückwirkender Aufhebung des Kindergeldbescheids befasst.
Rückwirkende Aufhebung des Kindergeldbescheids
Der Beschäftigte erhielt für seinen mehr als 18-jährigen Sohn Kindergeld und kinderbezogene Entgeltbestandteile nach § 11 TVÜ. Die Familienkasse hatte bei dem Beschäftigten mehrfach (im April 2008, Juni 2009 sowie August 2009) nach dem Einkommen des Sohnes im Jahr 2008 nachgefragt. Nach Auskunft des Beschäftigten vom 7.9.2009 überschritten die Einkünfte des Sohnes aufgrund einer mehrmonatigen Tätigkeit als Geselle nach Abschluss seiner Ausbildung die 2008 noch gültige Einkommensgrenze im Kindergeldrecht. Daraufhin hob die Familienkasse mit Bescheid vom 12.3.2010 die Kindergeldfestsetzung für das Jahr 2008 rückwirkend auf.
Mit Schreiben vom 15.3.2010 machte der Arbeitgeber die Rückzahlung der Besitzstandszulage gem. § 11 TVÜ für die Jahre 2008 bis 2010 i. H. v. insgesamt 2.885,01 EUR geltend. Der Beschäftigte beruft sich auf die 6-monatige Ausschlussfrist.
Der Anspruch auf Rückforderung der zu viel gezahlten kinderbezogenen Besitzstandszulage ist nicht wegen Ablauf der Ausschlussfrist verfallen.
Der Kindergeldbescheid – ein Verwaltungsakt der Familienkasse – ist für den Anspruch auf die kinderbezogenen Besitzstandszulage bindend. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Beschäftigter zwar Kindergeld erhält, nicht aber die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des TVöD / TV-L – oder umkehrt: zwar die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des TVöD / TV-L, nicht jedoch das Kindergeld. Die Tarifvertragsparteien haben den Anspruch auf die kinderbezogenen Entgeltbestandteile an die ununterbrochen fortbestehende Kindergeldberechtigung geknüpft. Widersprüchliche Entscheidungen über Kindergeld und kinderbezogene Entgeltbestandteile sollen so vermieden werden.
Ausschlussfrist beginnt erst mit Aufhebung der Kindergeldberechtigung
Solange Kindergeld ununterbrochen festgesetzt ist, sind auch die kinderbezogenen Entgeltbestandteile nach § 11 TVÜ zu gewähren. Umgekehrt entfällt der Anspruch auf die kinderbezogenen Entgeltbestandteile , wenn die Kindergeldfestsetzung bestandskräftig aufgehoben ist.
Der Bescheid der Familienkasse ist für den Arbeitgeber verbindliche Vorgabe für die Entscheidung über den Anspruch auf die kinderbezogenen Entgeltbestandteile – selbst wenn der Bescheid inhaltlich falsch sein sollte.
Hebt die Familienkasse die Kindergeldberechtigung rückwirkend auf, entsteht mit Erlass des Aufhebungsbescheids der Familienkasse der Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers. Die Ausschlussfrist des § 37 TVöD / TV-L läuft erst ab Kenntnis des Arbeitgebers vom Aufhebungsbescheid.
Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber zugleich kindergeldzahlende Stelle (Familienkasse) ist und der Beschäftigte der Familienkasse für den Anspruch auf Kindergeld maßgebliche Veränderungen mitgeteilt hatte.
Die gehaltszahlende Stelle des Arbeitgebers muss sich nicht die Kenntnis der Familienkasse zurechnen lassen. Die Familienkassen sind rechtlich eigenständig. Ist bei Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts eine Familienkasse nach § 72 EStG eingerichtet (weil die Einrichtung des öffentlichen Rechts gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern nicht auf ihre Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes verzichtet hat), wird die Familienkasse im Wege der sog. Organleihe im Auftrag der Bundesfinanzverwaltung tätig und gilt insoweit als Bundesfinanzbehörde. Der Umstand, dass die Familienkasse Teil der Verwaltung des öffentlich-rechtlich organisierten Arbeitgebers ist, ändert daran nichts.