Seit 1.1.2012 besteht Anspruch auf Kindergeld unabhängig vom Einkommen des Kindes, wenn das Kind eine erstmalige Berufsausbildung/ein Erststudium absolviert. Das Kind wird also bis zum erstmaligen Abschluss einer Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums ohne weitere Voraussetzungen bei der Kindergeldgewährung berücksichtigt.
Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes nicht erforderlich für Kindergeldanspruch
Ein Kind ist kindergeldrechtlich auch dann zu berücksichtigen, wenn es aufgrund eigener Erwerbstätigkeit gegenüber seinen Eltern – mangels Bedürftigkeit – keinen Unterhaltsanspruch hat. Das Vorliegen einer typischen Unterhaltssituation ist für den Kindergeldanspruch auch bei volljährigen Kindern nicht mehr erforderlich.
Entscheidend ist allein die Abgrenzung zwischen einer erstmaligen Berufsausbildung/einem Erststudium und der Zeit nach Abschluss einer Erstausbildung. Hat das Kind eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen, so besteht Anspruch auf Kindergeld nur noch, wenn das Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht (näher unten Ziffer 3.3.5.2.2 Kindergeld nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung/eines Erststudiums).
Zur Berufsausbildung gehören zweifelsohne alle Ausbildungen, die dem Berufsbildungsgesetz unterliegen oder in Gesetzen geregelt sind, z. B. dem Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege bzw. in der Altenpflege. Auch das Studium nach einer Studienordnung stellt eine Berufsausbildung in diesem Sinne dar. Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des Kindergeldrechts ist weit gefasst. In Berufsausbildung befindet sich ein Kind, welches "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind. Ein zeitlicher Mindestumfang der Ausbildungsmaßnahme ist nicht erforderlich.
Sprachaufenthalte im Ausland werden unter besonderen Umständen als Berufsausbildung anerkannt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium erforderlichen Sprachtest dient, und der Erwerb der für den angestrebten Beruf erforderlichen erweiterten Fremdsprachenkenntnisse nicht allein dem ausbildungswilligen Kind überlassen bleibt, sondern in dem Auslandsprogramm eine theoretische Wissensvermittlung beispielsweise in Form eines fortlaufenden theoretisch-systematischen Unterrichts in der ausländischen Sprache erfolgt.
Sprachaufenthalt in den USA
Geklagt hatte der Vater eines Sohnes, der in den USA an einem 6-monatigen internationalen missionarischen Trainingsprogramm teilnahm. Nach dem Stundenplan des Studienkurses wurden vormittags jeweils Lektionen mit einer theoretischen Wissensvermittlung in englischer Sprache abgehalten und nachmittags praktische Arbeiten einschließlich Lernkontrollen durchgeführt. Beide Teile umfassten insgesamt 50 Stunden einschließlich Arbeitseinsätzen, Leseaufgaben und Lernkontrollen. Der Sohn beabsichtigte, nach Rückkehr aus den USA ein Studium der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School in Hamburg aufzunehmen. Voraussetzung für die Aufnahme an dieser Universität ist die erfolgreiche Teilnahme an einem englischen Sprachtest. Somit bestand objektiv ein konkreter Bezug zwischen der Verbesserung der Sprachkenntnisse durch den Auslandsaufenthalt und dem angestrebten Beruf.
Nach Auffassung des BFH ist der Auslandsaufenthalt im genannten Fall als "Berufsausbildung" zu werten, sodass Anspruch auf Kindergeld besteht.
Sprachaufenthalt beispielsweise im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses werden nur dann als Berufsausbildung angesehen, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der nach seinem Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche Sprachausbildung rechtfertigt und grundsätzlich mindestens 10 Wochenstunden umfassen muss.
Anspruch auf Kindergeld besteht jedoch grundsätzlich nur für ein Kind, das sich in einer Erstausbildung oder einem Erststudium befindet.
Der BFH hat sich in diversen Entscheidungen mit dem Begriff der "Erstausbildung" im EStG in der Fassung ab 1.1.2012 auseinandergesetzt.
Ein nach Abschluss eines studienintegrierten Ausbildungsgangs fortgesetztes Bachelorstudium kann Teil einer einheitlichen Erstausbildung darstellen, sodass unabhängig von einer etwaigen Erwerbstätigkeit weiterhin Anspruch auf Kindergeld besteht.
Duales Studium und Ausbildung
Der Sohn eines Beschäftigten nahm nach dem Abitur ein duales Hochschulstudium zum Bachelor im Studiengang Steuerrecht auf. Parallel dazu absolvierte er eine studienintegrierte Ausbildung zum Steuerfachangestellten, die er im Juni 2011 erfolgreich beendete. Ab August 2011 arbeitete er parallel zu seinem f...