Nach erfolgreichem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung/eines Erststudiums besteht die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst finanziell zu unterhalten.
Absolviert das Kind nach Abschluss einer Erstausbildung/eines Erststudiums jedoch eine weitere Berufsausbildung/ein weiteres Studium oder befindet es sich z. B. in einer Übergangszeit von höchsten 4 Monaten zwischen 2 Ausbildungsabschnitten, so besteht dennoch Anspruch auf Kindergeld, sofern das Kind keine Erwerbstätigkeit ausübt, die die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt. Im Einzelnen:
Hat das Kind eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen, wird das Kind bei der Kindergeldgewährung nur berücksichtigt, wenn das Kind "keiner Erwerbstätigkeit" nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
Unschädlich ist diesbezüglich jedoch (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG)
- eine Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden,
- ein Ausbildungsdienstverhältnis oder
- ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i. S. d. §§ 8 und 8a SGB IV.
Studium nach Berufstätigkeit als Zweitausbildung
Die Tochter eines Beschäftigten hat nach ihrer Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen als Angestellte in einer Klinik gearbeitet und sich dann für ein berufsbegleitendes Studium an einer Verwaltungsakademie beworben, das eine kaufmännische Berufsausbildung und eine mindestens 1-jährige Berufstätigkeit voraussetzt. Die Tochter strebt eine Tätigkeit im mittleren Management im Gesundheitswesen an. Die Tochter arbeitet während des Studiums an der Verwaltungsakademie weiterhin 30 Wochenstunden.
Ein Studium, das eine Berufstätigkeit voraussetzt, ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern als Zweitausbildung zu werten (näher hierzu Ziffer 3.3.5.2.1 Kindergeldanspruch bei erstmaliger Berufsausbildung/Erststudium). Da die Tochter weiterhin 30 Wochenstunden arbeitet, ist die für einen Anspruch auf Kindergeld während einer Zweitausbildung maßgebende Wochenarbeitsgrenze überschritten. Es besteht kein Anspruch auf Kindergeld.
Auch bei Vorliegen einer zeitlichen Zäsur ist eine Zweitausbildung anzunehmen. Es besteht kein Anspruch auf Kindergeld.
Konkret entschieden hat der BFH über den Fall, in dem ein Kind nach Beendigung der Ausbildung zur Steuerfachangestellten seine Berufsausbildung mit den weiterführenden Berufszielen "Staatlich geprüfter Betriebswirt" und "Steuerfachwirt" nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt fortsetzte. Bei der nachfolgenden Fachschulausbildung handelt es sich um eine Zweitausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. In diesem Fall schließt eine mehr als 20 Wochenstunden umfassende Erwerbstätigkeit während der Zeit des Wartens auf den Antritt der Fachschulausbildung und während deren Durchführung einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG aus.
Der BFH führt seine Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung bei einem erwerbstätigen Kind konsequent fort und präzisiert den Begriff der "Erstausbildung".
Der für die Zusammenfassung einzelner Ausbildungsabschnitte zu integrativen Teilen einer einheitlichen Ausbildung unter anderem notwendige enge zeitliche Zusammenhang ist nur dann gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt.
Die im Februar 1996 geborene Tochter T nahm nach dem Abitur im Wintersemester 2014/2015 zunächst ein Studium im Fach B auf. Zum Wintersemester 2015/2016 wechselte sie in das Studienfach C und schloss dieses Studium zum Ende des Sommersemesters 2018 mit dem Bachelor of Science ab. Zwischen dem 1.10.2018 und dem 31.5.2019 absolvierte T ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) im Ausland. Bereits am 12.7.2018 hatte der Beschäftigte die Bezügestelle über die Zukunftspläne der T (FSJ und das beabsichtigte anschließende Masterstudium im Fach C) in Kenntnis gesetzt.
Die für die Kindergeldzahlung zuständige Bezügestelle verweigerte Kindergeld für den Zeitraum Juli bis September 2019.
Im streitigen Zeitraum übte T eine befristete Aushilfstätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden aus. Am 1.10.2019 nahm sie das Masterstudium im Fach C auf.
Es besteht im geschilderten Fall kein Anspruch auf Kindergeld. T hat das Studienfach C zum Ende des Sommersemesters 2018 mit dem Bachelor of Science abgeschlossen und damit eine erstmalige Berufsausbildung erlangt. Das Masterstudium gehörte im Streitfall nicht mehr zur Erstausbildung, da T damit nicht zum nächstmöglichen Termin begonnen hat.
Der enge zeitliche Zusammenhang muss zwischen den Ausbildungsabschnitten bestehen. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ende eines Freiwilligendienstes im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes und dem Beginn eines weiteren Ausbildungsabschnitts genügt nicht.
Eine lediglich berufsbegleitende Weiterbildung reicht nicht aus, um einen erneuten Kindergeldanspruch zu b...