Die in Absatz 1 bestimmte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist eine durchschnittliche Arbeitszeit. Das heißt, die 39 (West) bzw. 40 (Ost) Stunden müssen nicht in jeder Woche erreicht werden, sondern stellen einen Mittelwert dar, der sich nach Absatz 2 Satz 1 im Durchschnitt von bis zu einem Jahr ergeben muss. Der Jahreszeitraum ist dabei grundsätzlich die Obergrenze, von der bei der betrieblichen Arbeitszeit- bzw. Dienstplangestaltung nach unten abgewichen werden kann. Die Festlegung des Ausgleichszeitraums ist grundsätzlich eine Entscheidung des Arbeitgebers, die allerdings der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) bzw. des Personalrats bedarf. Der Abschluss einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung ist insoweit allerdings nicht vorgeschrieben.
Bei dem Jahreszeitraum handelt es sich nicht um ein Kalenderjahr. Der Ausgleichszeitraum ist vielmehr ein gleitender Zeitraum von 365 Tagen, der immer ab dem Zeitpunkt von neuem beginnt, zu dem die wöchentliche Arbeitszeit ausgeglichen ist. Der lange Zeitraum für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist insbesondere dort von Vorteil, wo die Arbeit saisonalen Schwankungen unterliegt.
Die Stadtwerke der Stadt X betreiben eine Schwimmhalle, die in den Monaten Juni, Juli und August geschlossen ist. Durch Verteilung der Arbeitszeit über ein Jahr kann die Arbeitszeit in den übrigen Monaten so verlängert werden (bis zur gesetzlichen Höchstgrenze gem. § 3 Satz 1 ArbZG von 48 Stunden je Woche), dass sich im Jahresdurchschnitt wieder die tarifliche Arbeitszeit ergibt. Sofern die Arbeitszeit innerhalb der gesetzlichen Frist ausgeglichen werden kann, ist vorübergehend auch eine Arbeitszeit von bis zu 10 Stunden werktäglich bzw. 60 Stunden in der Woche zulässig (vgl. Punkt 8.5).
Bei Arbeitnehmern, die ständig Wechselschichtarbeit (§ 9 Abs. 1) oder Schichtarbeit (§ 9 Abs. 2) leisten, kann nach Absatz 2 Satz 2 ein längerer Zeitraum als ein Jahr zur Berechnung des Durchschnitts der Arbeitszeit zugrunde gelegt werden. Ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten solche Arbeitnehmer, die dauerhaft und nicht nur vorübergehend oder gelegentlich in ein Schichtsystem eingebunden sind.
Der EuGH hat aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Nationalen Gerichtshofs von Spanien entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem nicht nur die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer erfasst werden kann, sondern auch die Feststellung der Lage der täglichen Arbeitszeit sowie die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Bezugszeiträume. Es sei mit dem Schutzgedanken des Europarechts nicht vereinbar, dem Arbeitnehmer die Dokumentationspflichten aufzuerlegen, da er im Verhältnis zum Arbeitgeber die schwächere Partei sei. Eine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber, nur die geleisteten Überstunden zu erfassen, bietet nach Ansicht des EuGH den Arbeitnehmern kein wirksames Mittel, um ihre Rechte durchzusetzen.
Das nationale Arbeitsrecht enthält in § 16 Abs. 2 ArbZG eine derartige Regelung. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 ArbZG eingewilligt haben. Die Nachweise sind mindestens 2 Jahre aufzubewahren.
Damit bleibt das nationale Recht insoweit hinter den Vorgaben des EuGH zurück, zumal bislang auch keine Dokumentationspflicht in Bezug auf Dauer und Lage der werktäglichen Arbeitszeit sowie hinsichtlich der Ruhezeiten besteht. Der EuGH hat es ausdrücklich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen des ihnen insoweit eröffneten Spielraums die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines Dokumentationssystems, insbesondere dessen Form, festzulegen, und zwar ggf. unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs, sogar der Eigenheiten bestimmter Unternehmen, namentlich ihrer Größe.
Das BAG hat zwischenzeitlich unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019 in einem betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren zu der Frage Stellung bezogen, welche Dokumentationspflichten hinsichtlich der Arbeitszeiten bestehen. Danach lässt sich zwar (weiterhin) § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG keine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber entnehmen, die gesamten Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten zu erfassen. Auch eine dahingehende unionsrechtskonforme Auslegung dieser Norm scheide aus. Allerdings folgte aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG die Pflicht der Arbeitgeber, ein System einzuführen, mit dem sämtliche Arbeitszeiten im Betrieb erfasst werden. Im Hinblick auf die Richtlinie 2003/88/EG betrifft die Erfassungspflicht nur die tägliche Arbeitszeit, die wöchentliche Ruhezeit und die durchschnittliche Höchstarbeitszeit in einem Siebentageszeitraum. Die Pflicht zur Erfa...