Achim Stapf, Christoph Tillmanns
§ 1a KSchG lautet:
"(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann."
"(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als 6 Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden."
Der Hinweis des Arbeitgebers hat schriftlich zu erfolgen, da er ja in der Kündigungserklärung erfolgen muss, die ihrerseits gemäß § 4 KSchG Schriftform erfordert.
Der erforderliche "Hinweis" des Arbeitgebers ist rechtlich als Angebot und damit als Willenserklärung zu werten. Das Verstreichenlassen der Klagefrist gem. § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG ersetzt die erforderliche Annahme des Angebots, sodass der Abfindungsanspruch auch entsteht, wenn der Arbeitnehmer die Frist nur versehentlich verstreichen ließ.
Auf den Hinweis des Arbeitgebers als eine Willenserklärung sind die allgemeinen Regelungen der Geschäftsfähigkeit, der Stellvertretung und der Anfechtung wegen Irrtums, Täuschung (z. B. über den Kündigungsgrund oder die Zahlungsfähigkeit) oder widerrechtlicher Drohung anzuwenden.
Liegen die Voraussetzungen des § 1a KSchG vor und bezahlt der Arbeitgeber nach Verstreichen der Klagefrist die Abfindung nicht, ist der Arbeitnehmer gezwungen, die Abfindungssumme beim Arbeitsgericht einzuklagen. Wird der Arbeitgeber insolvent, ist die Forderung einfache Insolvenzforderung.
Für einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung müsste er darlegen und ggf. beweisen können, dass ein Irrtum vorlag oder der Arbeitgeber ihn arglistig getäuscht hat.
Die Höhe der Abfindung richtet sich nach § 1a Abs. 2 KSchG.
Der Arbeitgeber kündigt nach einer Beschäftigungsdauer von 2¾ Jahren betriebsbedingt, weist den Arbeitnehmer hierauf hin und teilt zur Abfindung mit: "Sie erhalten bei Verstreichenlassen der Klagefrist eine Abfindung".
Die Abfindungshöhe beträgt 1½ Monatsverdienste.
Problematisch sind Fallkonstellationen, in denen nicht nur pauschal auf die Abfindung verwiesen wird, sondern eine konkrete Summe genannt wird.
Der Arbeitgeber kündigt einem Arbeitnehmer, der seit 2¾ Jahren beschäftigt ist und 2.000 EUR verdient, betriebsbedingt. Er teilt ihm die Kündigungsgründe mit und sichert ihm die Zahlung einer Abfindung von 1.000 EUR zu, wenn der die Klagefrist verstreichen lässt. Der Arbeitnehmer lässt darauf die Klagefrist verstreichen, und verklagt den Arbeitgeber auf Zahlung der gesetzlichen Abfindung von 3 × 0,5 × 2.000 EUR = 3.000 EUR.
Da der "Hinweis" des Arbeitgebers in § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG rechtsgeschäftlichen Charakter hat, wurde dem Arbeitnehmer nur ein Angebot in Höhe von 1.000 EUR unterbreitet. Eine korrigierende Auslegung kommt nicht in Betracht, da der Arbeitgeber gerade nicht auf § 1a KSchG Bezug genommen hat. Auch hat § 1a nicht den Charakter eines zwingenden gesetzlichen Mindestbetrags. Somit hat der Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf 1.000 EUR.
Wie oben, nur verspricht der Arbeitgeber 10.000 EUR. Nachdem die Klagefrist verstrichen ist, verweist der Arbeitgeber darauf, dass er nach § 1a Abs. 2 KSchG nur 3.000 EUR schuldet.
Auch hier wird man den Fall wie oben lösen müssen. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf 10.000 EUR.
Wie Beispiel 1. Der Arbeitgeber sichert eine Abfindung von 1.000 EUR gemäß § 1a Abs. 2 KSchG zu.
Hier liegt ein Widerspruch zwischen Summe und der in Bezug genommenen gesetzlichen Abfindungssumme vor. Dieser Widerspruch ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) aufzulösen. Danach ist die gesetzlich festgelegte Summe maßgebend. Die Angabe der irrtümlich falsch berechneten Abfindungssumme ist eine unschädliche falsa demonstratio.
Macht der Arbeitnehmer vom Abfindungsangebot Gebrauch, führt dies wohl nicht zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Denn die bloße Hinnahme einer Kündigung löst keine Sperrzeit aus. Vielmehr müsste eine rechtsgeschäftliche Mitwirkung vorliegen, die sich auf die Beendigung als solche bezieht. Hier beschränkt sich die Mitwirkung auf die Annahme des Angebots auf Zahlung einer Abfindung.
Auch führt die Annahme nicht zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 143a SGB III, da dies die Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist voraussetzt.
§ 1a KSchG erfasst durch Inbezugnahme des § 1 Abs. 2 KSchG vom Wortlaut her nur die ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Sinn und Zweck sprechen jedoch für eine analoge Anwendung au...