Entscheidungsstichwort (Thema)
Einrichtung von Teilarbeitsplätzen ohne Berücksichtigung aufstockungswilliger Teilzeitbeschäftigter. Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei Fehlen arbeitsplatzbezogener Gründe
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Arbeitgeber, anstatt die Arbeitszeiten der aufstockungswilligen Teilzeitbeschäftigten zu verlängern, weitere Teilzeitarbeitsplätze ohne höhere Arbeitszeit einrichtet, müssen für diese Entscheidung arbeitsplatzbezogene Sachgründe bestehen (wie BAG 01.06.2011 7 ABR 117/09 Rn. 29 der Gründe).
2. Anerkennenswerte Sachgründe liegen nicht vor. Eine Einschränkung der Flexibilisierung des Personaleinsatzes durch Mehrarbeit ist nicht erkennbar. Ein erhöhter Organisationsaufwand in Vertretungsfällen wie Urlaub und Krankheit ist hinzunehmen. Höhere Krankenstände und eine größere Zahl von Betriebsunfällen in Doppelschichten sind nicht zwingend auf die höhere Arbeitszeit zurückzuführen.
3. Dem Betriebsrat steht daher ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zu.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 30.10.2012; Aktenzeichen 16 BV 121/12) |
Tenor
1.
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.10.2012 - Az. 16 BV 121/12 - in Ziffer 2, 3 und 4 abgeändert:
Die Anträge der Arbeitgeberin werden zurückgewiesen.
2.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin wird zurückgewiesen.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) begehrt im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 99, 100 BetrVG die Feststellung, dass die Zustimmung des Antragsgegners (Betriebsrats) zur Einstellung/Versetzung der im Antrag bezeichneten Arbeitnehmer als erteilt gilt, hilfsweise die arbeitsgerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung/Versetzung dieser Arbeitnehmer, ferner die Feststellung, dass die vorläufige Einstellung/Versetzung dieser Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Darüber hinaus verlangt die Antragstellerin die Feststellung, dass der Antragsgegner seine Zustimmung zur Einstellung/Versetzung aus einem bestimmten Grunde nicht verweigern darf, sowie eine weitere Feststellung, mit der eine Begrenzung der Zahl der Zustimmungsverweigerungen des Antragsgegners erreicht werden soll.
Bei der Antragstellerin und Beteiligten Ziff. 1 handelt es sich um ein international tätiges Unternehmen der Paketlogistikbranche. In ihrem Betrieb in D. betreibt sie eine sogenannte Hauptumschlagsbasis (HUB), in der aus mehreren lokalen Centern und weiteren HUB eingehende Paketvolumina für die weitere Einspeisung in die Servicekette sortiert werden sowie zusätzlich ein sogenanntes Center, in welchem Paketzustellfahrzeuge mit Paketen für die lokale Zustellung bestückt werden und von den Paketzustellern eingesammelte Pakete einer Vorsortierung vor Einspeisung in die Servicekette unterzogen werden. Im Betrieb in D. sind ca. 500 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Antragsgegner und Beteiligte Ziff. 2 ist der aus 11 Mitgliedern bestehende, im Betrieb D. der Antragstellerin gebildete Betriebsrat.
Im Betrieb in D. wird in einem Schichtmodell gearbeitet, die einzelnen Schichten der Paketverladung/-sortierung werden als HUB-Twilight-Schicht (Beginn zwischen 17.15 Uhr und 18.15 Uhr), HUB-Midnight-Schicht (Beginn zwischen 22.15 Uhr und 23.15 Uhr) und Preload-Schicht (Beginn zwischen 03.45 Uhr und 04.45 Uhr) bezeichnet. In der HUB-Twilight-Schicht arbeiten ca. 118 Be-/Entlader, in der HUB-Midnight-Schicht ca. 139 Be-/Entlader und in der Preload-Schicht ca. 45 Be-/Entlader. Die Dauer einer Schicht beträgt regelmäßig 3,4 Stunden. Zwischen den Schichten liegt immer eine Pause unterschiedlicher Länge, die mindestens 30 - 45 Minuten und derzeit höchstens bis zu 2,5 Stunden betragen kann. Die Arbeitgeberin lässt die Arbeitnehmer in einer Schicht gestaffelt mit der Arbeit beginnen. Zur Regelung der betrieblichen Arbeitszeiten existiert eine zwischen den Beteiligten geschlossene Betriebsvereinbarung vom 13. Juli 2010, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Anlage B 8, Bl. 657 ff. der Akte). Danach können sich die Arbeitnehmer entscheiden, ob sie generell bereit sind, Mehrarbeit zu leisten oder nicht. Die überwiegende Mehrzahl der in diesem Schichtmodell beschäftigten Arbeitnehmer arbeitet lediglich in einer der drei Schichten und hat entsprechende Teilzeitarbeitsverträge (mit einer Arbeitszeit von regelmäßig 17 Stunden pro Woche), nachdem die Antragstellerin im Jahr 2003 die unternehmerische Entscheidung getroffen hatte, künftig keine Doppelschichten, d.h. Arbeitsverträge, die einen Einsatz des Arbeitnehmers in zwei der drei Schichten vorsehen, mehr anzubieten. Lediglich eine Minderheit von Arbeitnehmern (derzeit noch 36) arbeitet bis zum heutigen Tage in Doppelschichten. Dabei handelt es sich grundsätzlich um Arbeitnehmer, die vor besagter unternehmerischer Entscheidung eingetreten sind und noch über entsprechende Altverträge verfügen. In den Jahren 2001 und 2002 exist...