Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch. Übertragung. Urlaubsabgeltung. Erwerbsunfähigkeit. Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Ausschlussfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Erwerbsminderungsrente steht dem Entstehen des Urlaubsanspruchs nicht entgegen.
2. Der Urlaubsanspruch erlischt bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht zum Ende des Kalenderjahrs bzw. des Übertragungszeitraums und unterliegt im bestehenden Arbeitsverhältnis keiner Ausschlussfrist. Auf den mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Abgeltungsanspruch hingegen ist die Ausschlussfrist anwendbar.
3. Die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses vermag die Ausschlussfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zu wahren, denn es handelt sich um unterschiedliche Ansprüche.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3-4; Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk Baden-Württemberg vom 12.12.1991 §§ 11, 21
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 22.06.2010; Aktenzeichen 7 Ca 63/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg – Kammern Villingen-Schwenningen – vom 22.06.2010, Az. 7 Ca 63/10 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 5.740,80 EUR zu bezahlen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Abgeltung von Urlaubsansprüchen.
Die Klägerin war vom 15.03.1997 bis 31.07.2009 als Fachverkäuferin bei der Beklagten beschäftigt. Sie erhielt zuletzt einen Stundenlohn von 9,20 EUR brutto. Die Wochenarbeitszeit betrug 39 Stunden, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Klägerin jeweils an sechs Tagen 6,5 Stunden arbeitete oder an fünf Tagen 7,8 Stunden.
Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 20.03.1997 (AS I/26 f) galten im Arbeitsverhältnis der Parteien die jeweils gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrags für das Bäckerhandwerk in Baden-Württemberg. Es wurde ausdrücklich geregelt, dass bei tarifvertragslosem Zustand bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrags die Bestimmungen des alten Tarifvertrags als vereinbart gelten.
In dem hier maßgeblichen Manteltarifvertrag in der Fassung vom 12.12.1991 (im Folgenden MTV) heißt es:
„§ 11 Urlaub
1. |
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr (= Urlaubsjahr) Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, soweit ihm nicht für das laufende Kalenderjahr von einem anderen Arbeitgeber Urlaub gewährt wurde. |
3. |
Im Laufe des Kalenderjahres eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer haben Anspruch auf anteiligen Urlaub, soweit sie anspruchsberechtigt sind (vgl. Ziffer 4.). Der Anspruch beträgt für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Tage aufzurunden. Scheidet ein Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte aus, so hat er Anspruch auf den gesetzlichen Jahresurlaub (Bundesurlaubsgesetz 18 Werktage). |
6. |
Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung ist der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres geltend zu machen und zu gewähren. Der Urlaubsanspruch erlischt am 31. März, sofern er nicht vorher erfolglos geltend gemacht worden ist. … |
12. |
Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten abgerechneten drei Monaten – bei wöchentlicher Lohnzahlung in den letzten dreizehn Wochen – vor Beginn des Urlaubs erhalten hat. … |
14. |
Kann der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht genommen werden, so ist er abzugelten. … |
18. |
… Ab 1.1.2006 erhalten alle Arbeitnehmer 36 Werktage Urlaub. |
21. |
Für die Arbeitnehmer, die regelmäßig an weniger als sechs Werktagen in der Woche beschäftigt werden, ist der Urlaubsanspruch in solchen nach Arbeitstagen umzurechnen. Die Berechnungsformel lautet: Urlaubsanspruch in Werktagen × Zahl der Arbeitstage je Woche / 6. … |
§ 21 Ausschlussfristen.
Alle gegenseitigen Ansprüche sind innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Entstehen schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen.”
Die Klägerin erhielt ab 10.10.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Gemäß dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 11.03.2008 (Anlage K1, AS I/20) war die Rente befristet und sollte mit dem 28.02.2009 enden. Nach einem weiteren Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 16.10.2008 wurde die mit Bescheid vom 03.03.2008 gewährte Versichertenrente als Dauerrente weitergewährt (Anlage K2, AS I/21). Die Klägerin war während des Bezugs der Rente und über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus arbe...