Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt in § 3 Abs. 3 TVöD-V. Differenzierung zwischen der Rechtsfolge eines Normbefehls und der Rechtsfolge durch Abgabe einer Willenserklärung. Auslegung schriftsätzlicher rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Teilweise Untersagung der Nebentätigkeit eines Bauamt-Beschäftigten bei einem ortsansässigen Architekten. Klageänderung in der Berufungsinstanz. Klageänderung als neues Vorbringen i.S.d. § 97 Abs. 2 ZPO. Untersagung einer Nebentätigkeit bei Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. § 3 Abs. 3 TVöD-V enthält bei erfolgter Anzeige einer Nebentätigkeit kein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, sondern eine generelle Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Für eine Leistungsklage auf Erteilung einer Genehmigung zur Ausübung der angezeigten Nebentätigkeit besteht deshalb kein Rechtsschutzbedürfnis.
2. In der Verweigerung der Genehmigung einer Nebentätigkeit kann regelmäßig nicht zugleich die (konkludente) Untersagung dieser Nebentätigkeit erblickt werden. Die Weigerung der Abgabe einer gestattenden Willenserklärung aufgrund der (irrigen) Annahme, die begehrte Tätigkeit dürfe bereits kraft Gesetz oder Tarifvertrag nicht ausgeübt werden, ist im Hinblick auf ihren Erklärungsgehalt etwas anderes als das Verbot der Tätigkeit durch eine eigene Willenserklärung. In dem einen Fall liegt ein bloßes Beharren auf der Rechtsfolge eines (vermeintlichen) Normbefehls vor, während in dem anderen Fall eine Rechtsfolge durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung selbst gesetzt wird.
3. Die Rechtfertigung einer (vermeintlich) in der Vergangenheit abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung in einem Schriftsatz kann nach dem objektiven Empfängerhorizont regelmäßig nicht als (erneute) Abgabe dieser Erklärung ausgelegt werden.
4. Einzelfallentscheidung zur Rechtmäßigkeit der Untersagung der Nebentätigkeit eines Mitarbeiters in einem kommunalen Bauamt bei einem in der Gemeinde ansässigen Architekten.
5. Auch eine Klageänderung kann neues Vorbringen im Sinne von § 97 Abs. 2 ZPO darstellen. Der Anwendbarkeit des § 97 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen, dass das erstinstanzliche Gericht es versäumt hat, auf die Notwendigkeit der Antragsumstellung hinzuweisen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält, und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
2. Berechtigte Interessen des Arbeitgebers sind im Regelfall beeinträchtigt, wenn sich Nebentätigkeiten der Beschäftigten negativ auf die Wahrnehmung des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit auswirken kann. Durch die Übernahme einer Nebentätigkeit darf die Integrität des Arbeitgebers nicht in Frage gestellt werden. Zu berücksichtigen sind deshalb typischerweise Umstände, die das Verhältnis des Arbeitgebers zu anderen Beschäftigten, Geschäfts-/Vertragspartnern, sein öffentliches Erscheinungsbild, sein Auftreten gegenüber Dritten (Kunden, Bürger) oder seine Wahrnehmung als öffentliche Verwaltung bzw. öffentlicher Arbeitgeber betreffen können.
Normenkette
TVöD-V § 3 Abs. 3; ZPO § 97 Abs. 2, § 256 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; ZPO §§ 529, 533
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 26.01.2022; Aktenzeichen 3 Ca 272/21) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 26.01.2022, 3 Ca 272/21 in Ziff. 1 und 2 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Kläger die nachfolgend näher beschriebene Nebentätigkeit auszuführen berechtigt ist:
Nebentätigkeit als Mitarbeiter im Büro für Bauwesen XY mit Arbeiten als (Bau-) Techniker, wobei sowohl die Bearbeitung von Aufträgen der Beklagten als auch die Bearbeitung von Aufträgen Dritter, welche auf dem Ortsgebiet der Beklagten durchzuführen sind, im Rahmen der Nebentätigkeit ausgeschlossen sind. Die Nebentätigkeit erfolgt im Umfang von maximal einem Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ausschließlich in Zeiten nach Dienstschluss unter Beachtung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und der dort vorgeschriebenen Ruhepausen/Ruhezeiten.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 3/4, die Beklagte 1/4.
II.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung des Klägers, eine Nebentätigkeit auszuüben.
Der Kläger ist seit dem 1. Juli 2014 bei der Beklagten als Bautechniker in Vollzeit beschäftigt. Die Beklagte ist eine Gemeinde mit rund 12.000 Einwohnern. Sie verfügt über ein eigenes Bauamt. Der Kläger betreut dort überwiegend die Tiefbau- und Kanalisationsarbeiten. Im Bereich der Hochbauarbeiten ist er für die dauerhafte Inst...