Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Arbeitnehmers auf Gewährung einer Erschwerungszulage für das Tragen von FFP2-Masken
Leitsatz (amtlich)
1. Aus § 19 TVöD als Rahmenregelung ergibt sich kein unmittelbarer Anspruch auf Erschwerniszuschläge. Die zuschlagspflichtigen Arbeiten und die Höhe der Zuschläge werden gem. § 19 Abs. 5 S. 1 TVöD im Bereich der VKA landesbezirklich vereinbart.
2. Bei Arbeitern im Bereich der VKA sieht § 23 Abs. 1 TVÜ-VKA vor, dass bis zur Regelung in einem landesbezirklichen Tarifvertrag im jeweiligen Geltungsbereich die jeweils geltenden bezirklichen Regelungen zu Erschwerniszuschlägen gemäß § 23 Abs. 3 BMT- II G fortgelten. § 23 Abs. 3 BMT- II G sieht wiederum seinerseits vor, dass die zuschlagspflichtigen Arbeiten und die Höhe der Zuschläge bezirklich vereinbart werden.
3. Da nach Inkrafttreten des ablösenden TVöD (VKA) bezogen auf Baden-Württemberg noch kein spezieller Erschwerniszuschlagstarifvertrag geschaffen wurde, findet der 5. Tarifvertrag über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen an Gemeindearbeiter in Baden- Württemberg vom 25. Oktober 1965 weiter Anwendung, wobei die Höhe der Zuschläge sich derzeit aus dem Tarifvertrag vom 3. November 2008 zur Anpassung der landesbezirklichen Tarifverträge über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen ergibt.
4. Die Ermittlung des entsprechenden Tarifvertrages bei lediglich arbeitsvertraglicher Inbezugnahme erfolgt nicht von Amts wegen durch das Gericht, sondern ist entsprechend vom Anspruchssteller darzulegen.
5. Das Tragen einer FFP-2 Maske im Hinblick auf die Ansteckungsgefahren durch das Corona-Virus begründet im Übrigen nach den Regelungen des Tarifvertrages vom 25. Oktober 1965 auch keine zuschlagspflichtige Erschwernis, insbesondere greift die Position 120 ("Arbeiten, bei denen Gas-, Staubmasken oder Frischluftgeräte wegen Gas-, Staub- oder Farbbelästigung benutzt werden") nicht ein.
Normenkette
TVöD-VKA § 19; TVÜ-VKA § 23 Abs. 1; BMT-G II § 23 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1; 5. TVEZ
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 08.12.2021; Aktenzeichen 9 Ca 238/21) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 08.12.2021 - 9 Ca 238/21 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Erschwerniszulage wegen des Tragens einer FFP2- Maske bei Reinigungsarbeiten/hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.
Die Beklagte betreibt eine Klinik. Die Klägerin war bei der Beklagten vom 19. Januar 1990 bis zum 31. Mai 2021 als hauswirtschaftliche Helferin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 1. Juni 1990 zugrunde (vgl. Anlage K 1, Abl. 5 f. der erstinstanzlichen Akte). Unstreitig haben für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst gegolten.
§ 2 des Arbeitsvertrages enthält folgende Regelung:
"§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-GII) vom 31.11.1962 in der jeweils geltenden Fassung und den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung".
In der Klinik sind Mitarbeiter eines anderen Rechtsträgers (S GmbH) beschäftigt, die dem Rahmentarifvertrag im Gebäudereinigungsgewerbe unterfallen und einen Erschwerniszuschlag für das Tragen einer FFP2- Maske erhalten haben.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2021 forderte die Klägerin von der Beklagten eine Zulage für das Tragen einer FFP2- Maske bei hauswirtschaftlichen Arbeiten (vgl. K 2, Abl. 7 der erstinstanzlichen Akte). Das Schreiben kam mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurück. Daraufhin machte die Klägerin mit anwaltlichen Schreiben vom 18. März 2021 erneut die streitgegenständliche Zulage geltend (vgl. K 3, Abl. 8 f. der erstinstanzlichen Akte). Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 19. März 2021 ab (vgl. Anlage K 4, Abl. 10 der erstinstanzlichen Akte). Dennoch begehrte die Klägerin nochmals die Erschwerniszulage mit Schreiben vom 3. April 2021 (vgl. Anlage K 5, Abl. 11 der erstinstanzlichen Akte). Ihre Aufforderung blieb wiederum erfolglos. Die Klägerin erhob Klage auf Zahlung einer Erschwerniszulage für die Monate November 2020 bis einschließlich Mai 2021 mit Datum vom 28. Juni 2021.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die eingeklagte Erschwerniszulage, weil das Tragen einer FFP2- Maske bei hauswirtschaftlichen Arbeiten eine außergewöhnliche Erschwernis im Sinne des § 19 TVöD sei. Der Anspruch sei auch im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten nicht gemäß § 19 Abs. 3 TVöD ausgeschlossen. Denn nach § 19 Abs. 3 TVöD würden Zuschläge nach Abs. 1 nur dann nicht gewährt, soweit der außergewöhnlichen Erschwernis durch geeignete Vorkehrungen, insbesondere zum Arbeitsschutz, ausreichend Rechnung getragen wird. Wie aus § 19 Abs. 1 S. 2 TVöD zu entnehmen ist, stellten die Tarifvertragsparteien bei...