Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung
Leitsatz (amtlich)
Beschäftigt ein Arbeitgeber den von ihm gekündigten Arbeitnehmer weiter, weil der Arbeitnehmer nach einem Widerspruch des Betriebsrats gegen die Kündigung gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG seine Weiterbeschäftigung verlangt hat, ist für den Antrag des Arbeitgebers auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG das Arbeitsgericht auch dann Gericht der Hauptsache im Sinne von § 937 Abs. 1 ZPO, wenn der Kündigungsrechtsstreit zu dem Zeitpunkt, zu dem über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden ist, in der Berufungsinstanz anhängig ist.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 5; ZPO §§ 937, 943
Tenor
1. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf DM 1.350,00 festgesetzt
Tatbestand
Die Antragstellerin/Verfügungsklägerin erstrebt als Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG die Entbindung von der Verpflichtung, den Antragsgegner/Verfügungsbeklagten als Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.
Die Antragstellerin hat das seit 21.07.1986 bestehende Arbeitsverhältnis des Antragsgegners als Maschinenarbeiter nach Anhörung ihres Betriebsrats durch Schreiben vom 09.09.1987 zum 26.09.1987 gekündigt, nachdem der Antragsgegner am 25.08.1987 im Betrieb seinen Arbeitskollegen … beschimpft und sich infolgedessen eine körperliche Auseinandersetzung zwischen diesem und dem Antragsgegner ergeben hatte.
Der Betriebsrat der Antragstellerin hat einer Kündigung des Antragsgegners am 02.09.1987 widersprochen und die Weiterbeschäftigung des Antragsgegners verlangt. Auf die Ablichtung seiner Stellungnahme (Bl. 7 d. A.) wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Der Antragsgegner hat gegen die Kündigung am 14.09.1987 beim Arbeitsgericht Feststellungsklage eingereicht und gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG seine Weiterbeschäftigung verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Antragstellerin, dort Beklagte, durch Urteil vom 21.12.1987 verurteilt, den Antragsgegner, dort Kläger, bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits als Maschinenarbeiter zu beschäftigen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts Reutlingen 3 Ca 389/87 wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Der Antragsgegner hat gegen das arbeitsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner nach Ablauf der Kündigungsfrist weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 07.01.1988 (vgl. Abl. Bl. 6 d. A.) hat sie ihm unter Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 21.12.1987 mitgeteilt, daß er nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem vorbezeichneten Urteil vorläufig weiterbeschäftigt werde.
Die Antragstellerin verlangt in dem auf ihren Antrag durch Beschluß des Arbeitsgerichts vom 10.02.1988 an das Landesarbeitsgericht verwiesenen Verfahren, sie gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG im Wege der einstweiligen Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Antragsgegners zu entbinden.
Sie macht geltend, nach Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung im Kündigungsschutzverfahren seien die Voraussetzungen für eine Weiterbeschäftigung des Antragsgegners nicht mehr gegeben, zumal der Widerspruch des Betriebsrats nicht § 102 Abs. 3 BetrVG entspreche und daher unbegründet sei. Sie vertritt im übrigen die Auffassung, das Landesarbeitsgericht sei für die Entscheidung über ihren Antrag zuständig, weil der Kündigungsschutzrechtsstreit dort anhängig sei, nachdem der Antragsgegner Berufung eingelegt habe.
Die Antragstellerin beantragt:
die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Antragsgegners zu entbinden.
Der Antragsgegner beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, für die Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin sei das Arbeitsgericht zuständig. Im übrigen sei der Antrag unbegründet. Weder könne davon ausgegangen werden, daß seine gegen die Kündigung gerichtete Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete, noch sei der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet. Zudem sei das Begehren der Antragstellerin treuwidrig, nachdem sie ihn fünf Monate weiterbeschäftigt und ihre Rechtsposition nicht ausgeübt habe.
Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf die Antragsschrift vom 01.02.1988 (Bl. 1–5 d. A.), auf die Antragserwiderung vom 09.02.1988 (Bl. 12–18 d. A.), auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 09.03.1988 (Bl. 26–28 d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 11.03.1988 (Bl. 29–34 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war als unzulässig abzuweisen, weil das angerufene Landesarbeitsgericht für die Entscheidung über den Antrag nicht zuständig ist. Da über den Antrag auf En...