Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Arbeitnehmers. Durch das Ausdrücken einer brennenden Zigarette verursachter Brand. Vorratsschäden. Betriebsunterbrechungsschäden. Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung. Schaden infolge einer betrieblich veranlassten Tätigkeit. Rauchen zwischen zwei Arbeitsgängen. Mittlere Fahrlässigkeit. Privathaftpflichtversicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Raucht ein Arbeitnehmer zwischen zwei Arbeitsgängen im Freien und drückt die brennende Zigarette an einem Lackspritzstand aus, weil das Betriebstelefon in der Werkstatt klingelt, und entsteht durch Verpuffung der durch Zigarettenglut entzündeten Ablagerungen von Nitrolacken ein Brand, dann erfolgt das schadensstiftende Handeln, das Ausdrücken der Zigarette, nicht im Eigeninteresse des Arbeitnehmers, sondern steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer beabsichtigten betrieblichen Handlung, dem Telefonieren. Der Schaden wird in Ausübung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit verursacht und fällt in das vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko. Das heißt die Arbeitnehmerhaftung ist beschränkt.
2. Eine für den Arbeitnehmer bestehende Privathaftpflichtversicherung hat nur den auf den haftenden Arbeitnehmer entfallenden Schadensanteil zu übernehmen. Kann man dem Arbeitnehmer anlasten, dass ihm die potenzielle Gefährlichkeit seines Tuns, nämlich die Entzündbarkeit von Lacken, hätte bekannt sein müsse, so beläuft sich sein Schadensanteil auf 20 %
Normenkette
BGB § 254; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; RVO § 637
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 27.06.2003; Aktenzeichen 20 Ca 2260/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Ludwigsburg vom27. Juni 2003 – Az.: 20 Ca 2260/02 werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges trägt die Klägerin 4/5 und der Beklagte 1/5.
3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die klagende Versicherungsgesellschaft, die Versichererin der Firma P… bezüglich einer Feuerversicherung für Vorräte (Klaviere) unter Einschluss von Betriebsunterbrechungsrisiken war, nimmt den Beklagten im zweiten Rechtszug auf Schadensersatz in Anspruch. Den im ersten Rechtszug zur Entscheidung gestellten Hilfsantrag verfolgt sei nicht mehr.
Der am 18. Dezember 1964 geborene Beklagte ist alleinerziehend, einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig und Russlanddeutscher. Er hat in Russland eine Ausbildung als Klavierbauer durchlaufen. Bei der B… hat er eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Er war vom 01. Oktober 1995 bis zum 31. Oktober 2001 bei der Firma P… als Klavierstimmer beschäftigt und überwiegend im Außendienst eingesetzt. Daneben beschäftigte die Arbeitgeberin einen Betriebsleiter, eine Sekretärin und einen weiteren Arbeitnehmer als Kraftfahrer und mit der Tätigkeit des Spritzens oder Lackierens.
Der Betrieb der Arbeitgeberin besteht aus einer Werkstatt einschließlich einer Vorratskammer und einem Verkaufsraum. In der Werkstatt werden Klaviere restauriert und lackiert, welcher eine Ausgangstür zum Hof und eine weitere Ausgangstür zum Verkaufsraum hat. Neben der Ausgangstür zum Hof befindet sich in der Werkstatt ein nach unten offener auf Rollen stehender Spritzstand aus Stahlblech mit einer Breite von 1,50 m, einer Höhe von 1,60 m und einer Tiefe von 0,75 m. Nach vorne besitzt er ein Einlassgitter. Luft wird von einem Ventilator abgesaugt und über einen Schlauch ins Freie geführt. Der Spritzstand dient der Lackierung von Klavieren bzw. von Teilen davon. Es werden im Wesentlichen Nitrolacke verwendet.
Der Beklagte selbst hat zu keinem Zeitpunkt Lackierarbeiten am Lackspritzstand ausgeführt. Am 03. September 1999 drückte der Beklagte, der auf dem Hof außerhalb der Werkstatt eine Klaviertastatur bearbeitete und sich zwischen zwei Arbeitsgängen eine Zigarette angesteckt hatte, weil das Telefon in der Werkstatt klingelte, eine brennende Zigarette am Lackspritzstand in der Werkstatt aus. Die an dem Spritzstand anhaftenden Lackreste fingen Feuer. Bevor der Beklagte den Feuerlöscher einsetzen konnte, kam es zu einer Verpuffung mit einer leichten Druckwelle, durch welche der Beklagte aus dem Raum gedrückt und die Tür geschlossen wurde.
Die Klägerin beauftragte einen Sachverständigen. Dieser besichtigte am 08. September 1999 die Schadensstelle und stellte in seinem Gutachten vom 30. September 1999 fest:
Der Brand sei durch das Ausdrücken der brennenden Zigarette am Lackspritzstand fahrlässig verursacht worden. Ablagerungen von Nitrolacken seien sehr leicht entzündlich; sie könnten völlig ohne Zweifel durch Zigarettenglut entzündet werden, insbesondere dann, wenn die Zigarette ausgedrückt worden sei und damit der die glutabschirmende Aschemantel der Zigaretten durchbrochen werde. Die Entzündung könne entweder über eventuell außenanhaftende Lackablagerungen oder durch auf den Boden herabfallende Zigarettenglut erfolgt sein.
Nach der in der ersten Instanz durchgeführten Beweisaufnahme st...