Rechtsmittel eingelegt: ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Arbeitgeberkündigung wegen unterbliebener Massenentlassungsanzeige nach § 18 Abs. 1 KSchG
Normenkette
KSchG § 18 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Pforzheim (Urteil vom 21.11.1997; Aktenzeichen 1 Ca 671/96) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten werden Ziffern 1 und 4 (betreffend Kündigung vom 27.09.1996 und Kosten des Rechtsstreits) des Urteils des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 21.11.1997 (1 Ca 671/96) aufgehoben. Der Rechtsstreit wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zunächst über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage vom 12.11.1996 an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Soweit die Berufung zurückgewiesen ist, wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der … durch Schreiben vom 29.10.1996 zum 31.01.1997 bzw. mit Schreiben vom 27.09.1996 zum 31.03.1997 wirksam kündigen konnte.
Am 01.04.1996 war über das Vermögen der … (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Beklagte war zum Konkursverwalter bestellt worden.
Der Kläger wurde am 23.02.1952 geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Am 07.04.1979 bestand der Kläger die Meisterprüfung im Mechaniker-Handwerk. Außerdem ist er staatlich geprüfter Betriebswirt. Zu den beiden Kündigungszeitpunkten arbeitete der Kläger seit 26 Jahren für die Gemeinschuldnerin. Seit 1979 fungierte er als Assistent des Betriebsleiters. Am 21.10.1993 wurde ihm die Leitung der Abteilung Arbeitsvorbereitung übertragen. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 22.01.1996 (übergeben in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.1998, Bl. 344 ff. d. A.) legten die Gemeinschuldnerin und der Kläger unter I zum Aufgabenbereich folgendes fest:
„1. Die Firma überträgt … die Aufgabe des Leiters der Arbeitsvorbereitung. … ist der Geschäftsleitung unmittelbar unterstellt.
3. Die Firma behält sich vor, … innerhalb der Firma eventuell eine andere, seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen nach vorheriger Absprache.
4….”
Dem Kläger waren in der Arbeitsvorbereitung vier Sachbearbeiter unterstellt, darunter … und … Das Monatsgehalt des Klägers betrug zuletzt 7.426,25 DM.
Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung beschäftigte die Gemeinschuldnerin 196 Arbeitnehmer, zu den Zeitpunkten der beiden Kündigungen zwischen 130 und 160 Arbeitnehmer darunter regelmäßig mehr als fünf Vollzeitkräfte. Am 16.04.1996 hatte der Gläubigerausschuss den Beklagten beauftragt, einen Interessenausgleich und Sozialplan abzuschließen, wobei die Begrenzungen, 2,5 Monatsgehälter und 1/3 der Teilungsmasse zu beachten seien. Der Beklagte hatte daraufhin mit dem Betriebsrat am 29.04.1996 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan abgeschlossen.
Am 13.05.1996 beschloss die Gläubigerversammlung, die Geschäfte der Gemeinschuldnerin bis längstens 31.12.1996 fortzuführen, es sei denn, der Gläubigerausschuss entscheide sich für eine vorzeitige Schließung. Es folgte der Beschluss der Gläubigerversammlung vom 29.07.1996, die Geschäfte der Gemeinschuldnerin bis längstens 30.06.1997 fortzuführen, es sei denn, der Gläubigerausschuss beschließe die vorzeitige Schließung des Betriebs. Der Gläubigerausschuss traf am 13.09.1996 folgende Entscheidung:
„Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen bezüglich einer Teilbetriebsveräußerung wird die Konkursverwaltung ermächtigt, die Betriebseinstellung per 31.03.1997 vorzubereiten und einzuleiten. Zu diesem Zweck sind bereits per 30.09.1996 Kündigungen sämtlicher Mitarbeiter, längstens zum 31.03.1997 auszusprechen.”
Seit Beginn des Konkurseröffnungsverfahrens stand der Beklagte mit der Muttergesellschaft der Gemeinschuldnerin, der … wegen der Übernahme des Betriebs der Gemeinschuldnerin oder eines Teils davon in Verhandlungen. Ebenso nahm die …, eine Wettbewerberin der …, frühzeitig Verkaufsgespräche mit dem Beklagten auf, wobei sie in einem Schreiben vom 28.06.1996 deutlich machte, dass sie den Betrieb der Gemeinschuldnerin nicht übernehmen wolle, um nicht die Rechtsfolgen eines Betriebsüberganges auszulösen. Eine dritte Interessentin, mit der der Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt Gespräche führte, war die … ebenfalls eine Wettbewerberin der … Bis Ende September 1996 lagen konkrete Angebote der Firmen … und … vor. Die Verhandlungen waren noch nicht abgeschlossen.
Ebenfalls im September 1996, vor Ausspruch der ersten Kündigung fand der Gemeinschuldnerin eine Betriebsversammlung statt. Seitens der Konkursverwaltung wurden die Arbeitnehmer darüber informiert, dass zwei Kaufangebote vorlägen. Das eine Angebot habe die Zerschlagung des Betriebes zur Folge. Das andere sehe eine Fortführung des Betriebes mit etwa 70 Arbeitnehmern vor. Für den Fall, dass die Verhandlungen letztlich scheitern würden, sei man gezwungen, die Arbeitsverhältnisse sämtlicher ...