Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 27.09.2000; Aktenzeichen 35 Ca 37139/99) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. September 2000 – 35 Ca 37139/99 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Berlin verwiesen.
3. Die weitere sofortige Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
1. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von 525.470,– DM brutto Arbeitsentgelt für die Zeit vom 2. Juli 1984 bis 4. August 1997 in Anspruch. Er war in dieser Zeit hauptamtliches ordentliches Mitglied des Beklagten und vom 30. Dezember 1987 bis 10. Februar 1990 dessen stellvertretender Vorsitzender.
Vom 2. Juli 1984 bis 3. Januar 1985 war der Kläger im Bereich Öffentlichkeitsarbeit tätig. Ob als Leiter oder sog. Straßenmissionierer, ist streitig. Jedenfalls kontaktierte er Interessenten, lud diese zu Testauswertungen und Filmvorführungen ein und führte sog. Buch-I-Auditing durch. Über seine zu leistende Tätigkeit vereinbarten die Parteien jeweils individuelle Stundenpläne.
Von Januar 1985 bis Juni 1987 wurde der Kläger in den U. zum Klasse-V-Auditor ausgebildet. Während dieser Zeit wurde er auch selbst in großem Umfang auditiert, um nach dem gemeinsamen Verständnis der Parteien auf der sog. Brücke voranzukommen und die Erlösungsstufen clear und OT (Operierender Thetan) zu erreichen. Anschließend arbeitete er bis Anfang März 1993 für den Beklagten als Auditor und sog. Ranghöchster Fallüberwacher. Eine Vergütung erhielt der Kläger nicht, sondern lediglich in manchen Monaten ein Taschengeld von 150,– bis 200,– DM. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit verschiedenen Hilfstätigkeiten an den Vormittagen.
Von März 1993 bis Juni 1994 ließ sich der Kläger in K. zum Klasse-VI-Auditor ausbilden. Während dieser Zeit betrieb in erheblichem Umfang auch sog. Solo-Auditing, um da damit die Bewusstseinsstufe OT III zu erreichen. Ab Oktober 1994 schloss sich eine erneut in den U. durchgeführte Ausbildung zum Klasse VIII-Auditor an, während deren der Kläger auch bezahltes Auditing für die Flag-Staff-Organization erbrachte und zur Finanzierung seiner Ausbildung Garten-, Büro- und Lagerarbeiten verrichtete.
Nach Abschluss seiner Ausbildung sollte der Kläger fünf Jahre als Auditor für den Beklagten in Berlin tätig sein. Dazu kam es jedoch nicht, weil gegen den Kläger in Juni/Juli 1996 in den U. ein sog. Prozess vor einem Commitee of A. geführt wurde, in dem der Kläger sich in allen Anklagepunkten für schuldig erklärte. Daraufhin wurde er bis Anfang 1997 zu einer sog. Ethik-Strafmaßnahme in das kontinentale Verbindungsbüro von Scientology in K. versetzt, wo er nach seiner Darstellung Zwangsarbeit zu leisten hatte.
In der Folgezeit war der Kläger schließlich wieder in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Beklagten tätig. Ob er nur Handzettel verteilte oder auch als Rezeptionist und Telefonist tätig war, ist streitig. Eine Tätigkeit als Auditor war dem Kläger verwehrt, weil ihm die dafür erforderliche Lizenz entzogen worden war.
Das Arbeitsgericht Berlin hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erachtet, weil der Kläger während der gesamten Zeit als Arbeitnehmer des Beklagten beschäftigt gewesen sei. Eine Arbeitnehmereigenschaft scheide nicht von vornherein deshalb aus, weil die Parteien übereinstimmend eine Tätigkeit auf ehrenamtlicher Grundlage gewollt hätten. Die Begründung vereinsrechtlicher Arbeitspflichten dürfe nicht zur Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen. Von einer reinen mitgliedschaftlichen Tätigkeit könne nicht mehr gesprochen werden, wenn diese auf Dauer einen Umfang annehme, der über den einer vergüteten Arbeitstätigkeit weit hinausgehe und Raum für anderweitigen Verdienst nicht zulasse. So habe es sich beim Kläger verhalten, der im Umfang von mindestens 60 (Wochen-)Stunden beschäftigt worden sei, weshalb sich seine vormittags ausgeübte Tätigkeit außerhalb des Beklagten als bloße Nebentätigkeit dargestellt habe, die ihm eine Existenzabsicherung nicht ermöglicht habe. Wolle man die Tätigkeit des Klägers allein auf vereinsrechtlicher Grundlage beurteilen, so würde sich dies als Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen, insbesondere des § 612 BGB darstellen, wonach dem Arbeitnehmer für seine Tätigkeit eine angemessene Vergütung zu zahlen sei.
Der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers stehe auch nicht entgegen, dass seine Tätigkeit religiös motiviert gewesen sein möge und der Beklagte für sich den Status eine Kirche in Anspruch nehme, weil auch Religionsgemeinschaften Arbeitnehmer beschäftigen könnten. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit oder die eines Telefonisten seien keine religiösen Tätigkeiten, sondern schlichtweg die Erbringung von Arbeitsleistung. Der Kern der Beschäftigung des Klägers habe in der Ausbildung und der Ausübung des Auditing gelegen. Beim Auditing stehe jedoch nicht die Religionsausübung, sondern der erwerbswirtschaftliche Zweck im Vordergrund. ...