Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung. Durchsetzungskraft
Leitsatz (amtlich)
Die Gewerkschaft der Kraftfahrer Deutschlands ist mangels der erforderlichen Durchsetzungskraft nicht tariffähig.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten über die Tariffähigkeit der Gewerkschaft der Kraftfahrer Deutschlands (GKD).
Die GKD wurde am 20. November 1993 gegründet. Nach § 2 ihrer Satzung umfaßt ihr Organisationsbereich alle Kraftfahrer des Transport- und Verkehrswesens in allen Bereichen sowie jeder Art. Ihr räumlicher Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und kann auch Dienststellen, Betriebe und Zweigbetriebe aus dem Organisationsbereich im Ausland einschließen. Die GKD ist nach § 3 ihrer Satzung gegnerunabhängig und vertritt die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und beruflichen Interessen ihrer Mitglieder. Mitglied kann nach § 4 der Satzung werden, wer im Organisationsbereich der GKD in einem Arbeits-, Dienst- oder Ausbildungsverhältnis steht oder arbeitslos geworden ist. In § 17 der Satzung bekennt sich die GKD zum Arbeitskampf als Mittel zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen. Sie strebt die Mitgliedschaft im DGB und in internationalen Organisationen an.
Die GKD hatte zur Zeit der erstinstanzlichen Anhörung nach ihren Angaben ca. 535 Mitglieder. Tarifverträge wurden von ihr bislang nicht abgeschlossen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat auf Antrag des Verbandes der Berliner Spediteure festgestellt, daß die GKD nicht tariffähig ist. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der GKD fehle derzeit die erforderliche Durchsetzungsfähigkeit. Dies ergebe sich aus der geringen Zahl ihrer Mitglieder, die über das ganze Bundesgebiet verstreut seien. Angesichts mehrerer 100.000 Arbeitnehmer in kraftfahrenden Berufen sei es nicht denkbar, daß die Drohung, die wenigen Mitglieder der GKD könnten deren Forderungen Nachdruck verleihen, auf der Gegenseite Eindruck erwecke. Daran ändere es nichts, daß der Gegner, die Bundesvereinigung Güterfernverkehr, mit der GKD Gespräche führe und in bezug auf bestimmte Regelungsnotwendigkeiten Zustimmung signalisiere, da sich die Tariffähigkeit gerade im Konfliktfalle zu erweisen habe. Auch daß es im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG geboten sei, zur Bejahung der Tariffähigkeit eine Prognose genügen zu lassen, daß eine Vereinigung binnen überschaubarer Zeit zu einem Verband herangewachsen sein werde, an dem der soziale Gegenspieler nicht mehr vorbeigehen könne, ändere vorliegend nichts. Zwar deute die Präsenz der GKD an der Autobahn und ihre ausschließliche Ausrichtung auf kraftfahrerische Berufe darauf hin, daß ihr weiterer Erfolg beschieden sein könne. Sicher sei dies jedoch nicht. Aus der Schwäche der ÖTV als konkurrierender Vereinigung mit ca. 20.000 kraftfahrenden Mitgliedern folge nicht die eigene Stärke.
Gegen diesen ihr am 13. März 1996 zugestellten Beschluß richtet sich die am 12. April 1996 eingelegte und am 13. Mai 1996, einem Montag, begründete Beschwerde der GKD. Sie meint, daß die erforderliche Aufmerksamkeit beim sozialen Gegenspieler auch durch besondere Qualifikation und Sachkompetenz geweckt werden könne, und verweist auf Praxiserfahrung und fachliche Kompetenz ihrer Mitglieder und Funktionäre. Sie habe Vorschläge für verschiedene Tarifverträge erarbeitet, betreibe die Anerkennung des Berufskraftfahrers als Facharbeiter und halte Kontakt zu Gewerkschaften im Ausland und zu berufsständischen Organisationen im Inland. Ihre Leistungsfähigkeit ergebe sich auch aus der Tatsache, daß sie innerhalb kürzester Zeit in nahezu allen Bundesländern Landesvertretungen habe einrichten können. Anders als bei anderen Gewerkschaften seien ihre Landesverwaltungen und Landesgeschäftsstellen auch nach Geschäftsschluß und am gesamten Wochenende für ihre Mitglieder erreichbar.
Angesichts vielfältiger Spezialisierung bei der Bedienung von Zusatzeinrichtungen, Schulungen, wie z.B. bei Gefahrguttransporten, und Einsätzen im Ausland, die Sprachkenntnisse erforderten, stelle selbst bei der jetzigen Mitgliederzahl ein Streik durchaus eine ernst zunehmende Drohung dar. Zudem steige ihre Mitgliederzahl überproportional. Zum 31. Dezember 1994 habe sie 364 Mitglieder gehabt, ein Jahr später 586 und zum 1. Juni 1996 668.
Die GKD beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Beschlussen den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Antragsteller und die Beteiligte zu 4) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 4) meint, daß durch die Vertretung nur einer Berufsgruppe bei Tarif Verhandlungen die Gefahr drohe, daß die Belegschaft nicht geschlossen auftrete, sondern gespalten werde. Die von der GKD an sie herangetragene, inzwischen abschlägig beschiedene Bitte, Tarifverhandlungen gemeinsam zu führen, ...