Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislast des Arbeitgebers bei Berufung auf Verfall von Urlaubsanspruch. Unbeachtlichkeit fehlender Hinweispflicht des Arbeitgebers bei Verfall von Urlaub. Sekundäre Darlegungslast des Arbeitnehmers bei Verfall von Urlaubsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber, der sich auf das Erlöschen der Urlaubsansprüche mit Ende von Urlaubsjahr und Übertragungszeitraum beruft, ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt oder erwerbsgemindert war und deshalb die Versäumung der arbeitgeberseitigen Mitwirkungspflicht bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs das Erlöschen von Urlaubsansprüchen nach § 7 Absatz 3 BUrlG nicht hindert.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3-4; ArbGG § 66 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2, § 264
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 25.02.2020; Aktenzeichen 58 Ca 10590/19) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Februar 2020 - 58 Ca 10590/19 wird hinsichtlich eines Betrags von 1.441,70 EUR aus der Abgeltung von 10 weiteren Urlaubstagen aus 2018 als unzulässig verworfen.
II. Im Übrigen wird sie als unbegründet abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltung.
Zwischen den Parteien bestand seit dem 1. Juli 1988 ein Arbeitsverhältnis.
Aufgrund Vereinbarung waren Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Hierzu heißt es im schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 30. Juni 1988:
"Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen sowie den an ihre Stelle tretenden Tarifverträgen - alle in ihrer jeweils geltenden Fassung -. Daneben sind die für den Bereich des Arbeitgebers in Kraft befindlichen und künftig in Kraft tretenden sonstigen Tarifverträge, sofern sie dieses Arbeitsverhältnis nach ihrem Geltungsbereich erfassen können, in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden. Außerdem findet der Tarifvertrag über die Arbeitszeit und über die Pauschallöhne der Polizeikraftfahrer in der jeweiligen Fassung Anwendung."
Der 43 Jahre alte Kläger ist jedenfalls seit 2005 als schwerbehinderter Mensch anerkannt, nach dem zuletzt in Kopie eingereichten Schwerbehindertenausweis bereits seit dem 7. Juli 2003. Jedenfalls seit Oktober 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig. Er erhielt mehrfach, erstmalig ab Oktober 2006 durch Bescheid vom 8. September 2006, eine befristete Erwerbsminderungsrente bewilligt.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2019 teilte die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger mit, dass die ihm seit dem 8. September 2006 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Ende September 2026 als Dauerrente weitergewährt werde.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 2. Juli 2019 übersandte der Kläger den Rentenbescheid und wies auf die in dessen Folge eingetretene Beendigung des Arbeitsverhältnisses hin. Außerdem bat er um Abgeltung des zustehenden Urlaubs. Der Urlaub werde innerhalb der gesetzlichen Verjährung von 3 Jahren und damit für die Jahre 2016 bis 2019 geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2019 bestätigte das beklagte Land die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2019.
Mit Abrechnung für August 2019 brachte es Urlaubsabgeltung für je 20 Tage gesetzlichen Mindesturlaub für 2018 und 2019 sowie von je fünf Tagen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zur Auszahlung.
Mit der am 10. September 2019 zugestellten Klage und der am 27. Dezember 2019 zugestellten Klageerweiterung hat der Kläger - soweit für die Berufung von Interesse - die Zahlung von Urlaubsabgeltung seit 2006 gerichtlich geltend gemacht und zwar für je 35 Urlaubstage für die Jahre bis 2017 (20 Tage gesetzlicher Urlaub, fünf Tage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen, 10 Tage tariflicher Mehrurlaub) sowie zehn Tage tariflichen Mehrurlaub für 2018.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, infolge der seitens der Beklagten unterbliebenen Mitwirkung an der Urlaubsverwirklichung in Gestalt der gebotenen Belehrung über Bestehen und drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen sei ein Verfall des Urlaubs nicht eingetreten. Vielmehr seien die Ansprüche seit 2006 jeweils in das Folgejahr übertragen worden und hätten sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Zahlungsansprüche verwandelt.
Der Kläger hat - soweit für die Berufung von Interesse - vor dem Arbeitsgericht beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zur Abgeltung von weiteren 80 Urlaubstagen einen Betrag in Höhe von 11.533,60 Euro brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 Absatz 1 BGB seit dem 01.07.2019 zu zahlen;
...
3. den Beklagten zu verurteilen, zur Abgeltung der Urlaubsansprüche zwischen 2006 und 2015 ...