Entscheidungsstichwort (Thema)
Eilantrag auf Untersagung der Blockierung der Betriebszufahrt während eines laufenden Streiks
Leitsatz (redaktionell)
Die Blockierung der Zufahrt zum Betriebsgelände zur Verhinderung des Zugangs von Lieferanten, Kunden, Besuchern und sonstigen zutrittswilligen Personen ist ein rechtswidriger und im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerechtfertigter Eingriff in den von der Arbeitgeberin ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb (Streikexzess).
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; BGB §§ 31, 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 831; ArbGG § 62 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 10.06.2016; Aktenzeichen 6 Ga 15/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 10.06.2016 - 6 Ga 15/16 -teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt gefasst:
Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, bei Meidung eines bei jeder Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstands der Verfügungsbeklagten, es zu unterlassen, die Zufahrt der Verfügungsklägerin An der B...... 1, 15837 B.../Mark, durch die Streikmaßnahmen der Arbeitnehmer des Betriebs und/oder betriebsfremder Personen zur Verhinderung des Zutritts und Ausgangs von Lieferanten, Kunden, Besuchern und sonstigen zutrittswilligen Personen zu blockieren oder blockieren zu lassen oder hierzu aufzurufen, insbesondere indem Streikende oder Streikposten
- sperrige Gegenstände in oder vor den Eingängen oder Einfahrten abstellen und/oder
- LKW an der Ein- oder Ausfahrt hindern, indem sie sich allein oder mit weiteren Personen vor diesen Fahrzeugen positionieren.
II. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Untersagung bestimmter Streikmaßnahmen während eines laufenden Streiks im Wege der einstweiligen Verfügung.
Die Verfügungsklägerin mit Sitz in Baden-Württemberg betreibt an mehreren Standorten in Deutschland ein Unternehmen der Säge- und Holzbearbeitung, darunter in B./Mark (Brandenburg) mit etwa 330 Arbeitnehmern. Die Verfügungsklägerin ist nicht tarifgebunden.
Die Verfügungsbeklagte ist eine im Betrieb B. vertretene Gewerkschaft.
Die Parteien führten seit dem Jahr 2015 Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrages, die die Verfügungsklägerin im Februar 2016 für gescheitert erklärte. Die Verfügungsbeklagte rief seit März 2016 mehrfach zu Warnstreiks auf und führt seit dem 18.05.2016 einen Erzwingungsstreik durch, an dem sich Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin beteiligen.
Das Betriebsgelände der Verfügungsklägerin in B. ist für Fahrzeuge aller Art, insbesondere sowohl für LKW der Lieferanten und Abholer als auch für PKW der Arbeitnehmer, ausschließlich über eine Zufahrt zugänglich. Die für die Einfahrt und Ausfahrt sämtlicher Kraftfahrzeuge genutzte Zufahrt ist etwa 20 Meter breit und von der öffentlichen Straße aus über einen etwa 1,50 Meter breiten Gehweg und Fahrradweg ohne Schranke erreichbar. Das Betriebsgelände der Verfügungsklägerin beginnt unmittelbar hinter der Zufahrt. Im linken Bereich der Zufahrt ist die Ein- und Ausfahrt für LKW vorgesehen, während der Betriebsparkplatz für die Arbeitnehmer über einen rechts hinter der Zufahrt abzweigenden Weg erreichbar ist. Auf das zur Veranschaulichung von der Verfügungsklägerin vorgelegte Luftbild (Anlage AST 4, Bl. 172 d. A.) wird Bezug genommen.
Bei normalem Betrieb wird die Verfügungsklägerin täglich von etwa 200 LKW mit Rundholz beliefert. Weiter befahren täglich etwa 90 leere LKW das Betriebsgelände, um nach Beladung vor Ort wieder auszufahren.
Am 08.06.2016 versperrten Streikende und Streikposten ab dem frühen Morgen bis etwa 10.30 Uhr die Zufahrt zum Betriebsgelände der Verfügungsklägerin in der Weise mit einer Plastikkette, Bierbänken und Menschen, dass weder LKW noch PKW ein- und ausfahren konnten. Ein erheblicher Rückstau entstand. Die von der Verfügungsklägerin gerufene Polizei veranlasste die Beendigung der Zufahrtblockade. Am 09.06.2016 ließen die Streikenden und Streikposten etwa 10 LKW ausfahren, verhinderten jedoch in Einzelfällen versuchte Zufahrten von LKW auf das Betriebsgelände. Für den 10.06.2016 sagte die Verfügungsklägerin ihren Zulieferern - mit Ausnahme einzelner Testfahrten, denen die Zufahrt auf das Betriebsgelände von den Streikenden und Streikposten verwehrt wurde - ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Die Verfügungsklägerin hat erstinstanzlich beantragt,
der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es bei Meidung bei jeder Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, die Zufahrt sowie die zwei Perso...