Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Auslobung einer Streikbruchprämie. Anspruch am Streik beteiligter Arbeitnehmer auf Zahlung der Streikbruchprämie
Leitsatz (amtlich)
Die Aushebung einer "Streikbruchprämie" ist arbeitskampfrechtlich zulässig und stellt auch keine Maßregelung i.S.v. § 612 a BGB dar.
Normenkette
BGB § 612a; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Eberswalde (Entscheidung vom 28.04.2016; Aktenzeichen 1 Ca 902/15) |
Tenor
1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 28.04.2016 - 1 Ca 902/15 - wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer sogenannten "Streikbruchprämie".
Der Kläger ist als Busfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Brandenburg (im Folgenden: TV-N BRB) Anwendung.
Nachdem Verhandlungen unter anderem über höhere Stundenentgelte und Monatsentgelte gescheitert waren, rief die Gewerkschaft Verdi im Frühjahr 2015 zu Streikmaßnahmen auf. Im Zuge des Arbeitskampfes wurde auch der Betrieb der Beklagten vom 28. April bis zum 10. Mai 2015 bestreikt. Um die Auswirkungen auf den Fahrbetrieb zu verringern, beschloss die Geschäftsführung der Beklagten am 27. April 2015, Arbeitnehmern für die Nichtbeteiligung am Streik eine Prämie zuzusagen. Ausgelobt wurde ein Prämie in Höhe von 30,00 Euro brutto für Mitarbeiter, die sich nicht am Streik beteiligen (vgl. das Schreiben ohne Datum in Kopie Bl. 6 d. A.).
Der Kläger nahm in der Zeit vom 28.04.2015 bis zum 10.05.2015 am Streik teil. Er wäre am 28.04.2015, 29.04.2015, 30.04.2015, 04.05.2015, 05.05.2015, 06.05.2015, 07.05.2015 und 08.05.2015 zum Dienst verpflichtet gewesen.
Am 12.05.2015 kam es zu finalen Gesprächen über die endgültige Beendigung des Streiks und dem Abschluss eines neuen Tarifvertrages. Die Tarifvertragsparteien schlossen den Änderungstarifvertrag Nr. 5 zum TV-N BRB (vergleiche den Tarifvertrag in Kopie Bl. 7 d. A., im folgendem: ÄndTV Nr. 5), mit dem unter anderem mit Wirkung ab 01. Mai 2015 erhöhte Stundenentgelte und Monatsentgelte vereinbart wurden.
Unter § 2 des ÄndTV Nr. 5 vereinbarten die Tarifvertragsparteien unter der Überschrift "Maßregelungsverzicht":
"Von arbeitsrechtlichen Maßregelungen (Abmahnungen, Entlassungen o.ä.) aus Anlass gewerkschaftlicher Streiks, die bis einschließlich 10. Mai 2015, 24:00 Uhr durchgeführt wurden, wird abgesehen, wenn sich die Teilnahme an den Streiks im Rahmen der Regelungen für rechtmäßige Arbeitskämpfe gehalten hat."
In der Folgezeit kam es noch vor der endgültigen Unterzeichnung der Tarifvertragsparteien zu Telefongesprächen zwischen den Parteien, in dem der Verhandlungsführer der Gewerkschaft Verdi um eine klarstellende Formulierung in § 2 ÄndTV Nr. 5 dahingehend bat, dass auch Geldleistungen davon erfasst werden sollten, nicht zu einer Änderung des Tarifwortlauts, aber zu einer E-Mail des Verhandlungsführers des Arbeitgeberverbandes an den Verhandlungsführer der Gewerkschaft, in der es heißt:
"...nach der nunmehr erfolgten Umstellung der Unterschriftsreihenfolge gehe ich davon aus, dass die Redaktion zum Tarifvertragstext abgeschlossen ist und gebe den Text zur Unterschrift. Ihrem zuvor telefonisch geäußerten Wunsch, die Maßregelungsklausel in § 2 nicht nur auf unmittelbare arbeitsrechtliche Sanktionen zu begrenzen, sondern weiter zu fassen und auch auf Geldleistungen zu erweitern kann ich angesichts des tatsächlichen Verhandlungsverlaufs (gerade darüber hatten wir ausführlich gesprochen) und des darauf fußenden Wortlauts im Einigungspapier nicht entsprechen. Die Maßregelungsklausel ist im Einigungspapier gerade deshalb so eng gefasst worden, weil einige unserer Mitglieder auf der Grundlage eines entsprechenden Gremienbeschlusses als zulässige Maßnahme der Gegenwehr im Arbeitskampf eine Streikbruchzulage gezahlt haben, die nicht durch die Maßregelungsklausel nachträglich neutralisiert werden sollte."
Mit seiner beim Arbeitsgericht Eberswalde am 11.12.2015 eingegangen Klage macht der Kläger nach Teilrücknahme i. H. v. 180,00 Euro zuletzt die Zahlung der Streikbruchprämie für 8 Tage (8 x 30,00 Euro) in Höhe von 240,00 Euro brutto nebst Zinsen geltend.
Er meint, dass die Beklagte auf Grundlage des tariflich vereinbarten Maßregelungsverbots in § 2 ÄndTV Nr. 5 zur Zahlung des gelten gemachten Betrages verpflichtet sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur verurteilen, an ihn 240,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2015 zuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte lehnt die Zahlung der Streikbruchprämie an den Kläger ab, da insbesondere nach dem Verlauf der Verhandlungen und dem daraus folgendem Wortlaut des § 2 ÄndTV Nr. 5 sowie den nachfolgenden Telefonaten nebst E-Mail eine Zahlung der Streikbruchprämie auch an S...