Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung zum Zwecke des Wegfalls eines 13. Monatseinkommens
Leitsatz (amtlich)
1) Zu den Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Änderungskündigung zum Zwecke des Wegfalls eines 13. Monatseinkommens einer betrieblichen Übung.
2) Ein sogenannter Ausforschungsbeweis ist unzulässig.
Normenkette
KSchG § 2 S. 1, § 4 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 26.11.1997; Aktenzeichen 71 Ca 23835/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. November 1997 – 71 Ca 23835/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der 1944 geborene, verheiratete Kläger trat am 1. Mai 1988 als Schweißer in die Dienste der Beklagten, die Straßen- und Tiefbauarbeiten ausführt und im Jahre 1997 182 Arbeitnehmer beschäftigte. Bei einem Stundenlohn von 29,– DM erzielte der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von etwa 7.500,– DM bis 8.000,– DM. Im Schreiben der Beklagten vom 4. März 1988 heißt es unter anderem:
„…
Es gelten die Bedingungen des Rahmentarifvertrages für das Berliner Baugewerbe.
…”
Der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990, abgeschlossen zwischen dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. und der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden, wurde im Jahre 1996 fristgemäß von den beiden Spitzenverbänden des Baugewerbes bzw. der Bauindustrie gekündigt. Die Fachgemeinschaft Bau, deren Mitglied die Beklagte ist, trat zum 30. März 1997 aus den genannten Spitzenverbänden aus. Am 21. Mai 1997 kam es zum Abschluß eines neuen Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe, abgeschlossen zwischen dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie einerseits und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt andererseits, der in § 2 die Zahlung eines. 13. Monatseinkommens unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin vorsieht. Der zuletzt genannte Tarifvertrag ist bisher nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Mit Schreiben vom 28. Mai 1997, dem Kläger zugegangen am 29. Mai 1997, sprach die Beklagte wie gegenüber allen ihren Arbeitnehmern eine Änderungskündigung aus, die folgenden Inhalt hat:
„…
Nach umfassender Information und Anhörung des Betriebsrates, Wegfall der tariflichen Regelung und zur Sicherung der Arbeitsplätze sind wir leider gezwungen, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung Ihrer gesetzlichen/tariflichen Kündigungsfrist fristgemäß zum
31. August 1997
zu kündigen. Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist unter folgenden geänderten Bedingungen fortzusetzen:
Wegfall des Anspruches auf Zahlung eines 13. Monatseinkommen
Wir bedauern diese Maßnahme, von der alle gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten betroffen sind, und hoffen, daß Sie mit den geänderten Bedingungen einverstanden sind und das Arbeitsverhältnis auf dieser neuen Basis fortgesetzt werden kann. Im übrigen bleiben die bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen unverändert.
…”
Der Kläger erklärte sich am 6. Juni 1997 mit der Änderung der Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt einverstanden, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sei.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 10. Juni 1997 eingegangenen und der Beklagten am 2. Juli 1997 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Rechtmäßigkeit der Änderungskündigung gewandt und die Auffassung vertreten, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt sei. Er habe aufgrund langjähriger vorbehaltloser Zahlungen durch die Beklagte einen entsprechenden Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatseinkommens erworben und bereits zur Gesundung des Unternehmens dadurch beigetragen, daß er auf etwa 20 % seines monatlichen Einkommens „verzichtet” habe.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß die Änderung seiner Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 28. Mai 1997 sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat beantragt.
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt sei. Die Änderungskündigungen hätten deshalb ausgesprochen werden müssen, um eine endgültige Betriebsstillegung abzuwenden. Seit etwa drei Jahren seien ihre Umsätze rückläufig bei gleichzeitig sinkenden Preisen und Erlösen. Der Anteil ihrer Personalkosten am Angebotspreis im Vergleich zu den mit ihr konkurrierenden Unternehmen liege bei durchschnittlich 65 %, während das Preisniveau in den letzten drei Jahren um ca. 25 % bis 30 % gesunken sei. Da gleichzeitig die Kosten gestiegen seien, sei ihr aus ihrer Geschäftstätigkeit allein im Jahre 1996 ein Verlust in Höhe von 800.000,– DM entstanden. Auch im Jahre 1997 müsse mit einer ähnlichen Größenordnung im Verlustbereich gerechnet werden. Durch die Streichung des 13. Monatseinkommens wolle sie versuchen, die Lohnkosten ...