Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Verwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Die vom BAG in seinem Urteil vom 12.11.1998 – 8 AZR 265/97 – entwickelten Grundsätze zur Befristung des Fortsetzungsanspruchs des vom bisherigen Arbeitgeber rechtswirksam gekündigten Arbeitnehmers sind nicht ohne weiteres auf den Fall des Übergangs eines unstreitig bestandenen Arbeitsverhältnisses auf den Betriebsübernehmer übertragbar. Sie haben jedoch ihre Bedeutung bei der Beurteilung des sogenannten Umstandsmoments im Rahmen des Verwirkungseinwandes.

2.

Einem Arbeitnehmer, der länger als sechs Monate seit Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden Umständen mit der Inanspruchnahme des Betriebsübernehmers abwartet, kann von diesem entgegengehalten werden, er habe dieses Recht verwirkt. Für das sogenannte Umstandsmoment reicht es aus, daß der Betrieb nur mit der Stammbelegschaft also mit einer geringeren Anzahl von Arbeitsplätzen, fortgeführt worden ist.

Das Vertrauen des Betriebsübernehmers, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, ist jedenfalls dann schutzwürdig, wenn über den Eintritt der Rechtsfolgen des § 613 a BGB aus sonstigen Gründen – hier wegen der Frage des Eingreifens der Regelung des Art. 232 § 5 Abs. 2 Ziff. 1 EG BGB – eine Rechtsunsicherheit bestanden hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweis der Geschäftsstelle

Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in 7facher Ausfertigung bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.

 

Normenkette

BGB §§ 613a, 242; EGBGB Art. 232; EGBGB § 5 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.09.1999; Aktenzeichen 42 Ca 24861/98)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07. September 1999 – 42 Ca 24861/98 – teilweise abgeändert und die gegen die Beklagte zu 2) auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zu ihr seit dem 14. Juli 1998 gerichtete Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1) zu 1/4. Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

III. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des Berufungsverfahrens – die Klägerin und die Beklagte zu 2) – streiten darüber, ob die Beklagte zu 2) am 14. Juli 1998 in das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Betriebserwerberin eingetreten ist.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin, die als Buchhalterin tätig war, bestand seit dem 1. Januar 1994. Sie wurde zuletzt beschäftigt durch die … Berlin und Brandenburg GmbH, der jetzigen Gemeinschuldnerin. Diese Gesellschaft war im Jahr 1990 gegründet worden und nahm im Oktober 1997 unter Umfirmierung und Verlegung ihres Sitzes von Berlin nach … die Geschäftstätigkeit auf. Die Klägerin war in einer der fünf Betriebsstätten der Gemeinschuldnerin in der …straße in Berlin-Tempelhof beschäftigt; sie war zuletzt Mitglied des Betriebsrats und des durch diesen gebildeten Wirtschaftsausschusses.

Nach Ergehen der Anordnung des Sequestration am 2. Juli 1998 wurde über das Vermögen der … Berlin und Brandenburg GmbH am 13. Juli 1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und die Beklagte zu 1) als Verwalterin eingesetzt. Am selben Tage stellte diese die. Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht frei und gab das vermietete Anlagevermögen unter Kündigung aller Mietverhältnisse an die jeweiligen Vermieter, insbesondere an die … Vermietung, zurück, was diese ihr mit Schreiben vom 13. Juli 1998 bestätigte.

Mit Schreiben vom 21. Juli 1998 leitete die Beklagte zu 1) das Anhörungsverfahren zur beabsichtigten Kündigung hinsichtlich derjenigen Arbeitnehmer – einschließlich der Klägerin – ein, die nach ihrer damaligen Auffassung zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitsverhältnis zur Gemeinschuldnerin standen. Sie überreichte dazu dem Betriebsrat eine Liste, die die Namen und Sozialdaten von 79 Arbeitnehmern enthielt, die sie wegen Betriebseinstellung ordentlich zu kündigen beabsichtigte. Zuvor hatten am 13. bzw. am 14. Juli 1998 ca. 140 Arbeitnehmer mit der Gemeinschuldnerin, die damals nach den Angaben der Beklagten zu 1) rund 210 Arbeitnehmer beschäftigt hatte, Aufhebungsverträge geschlossen, damit diese mit der Beklagten zu 2) die Beschäftigung nahtlos, allerdings mit für die Arbeitnehmer ungünstigeren Bedingungen auf der Grundlage neuer Arbeitsverträge, fortsetzen konnten; die Klägerin hatte dieses Angebot von der Beklagten zu 2) nicht erhalten. Sie wurde durch die Beklagte zu 1) zunächst weiterbeschäftigt, da an ihrer Arbeitskraft als Büroangestellte im Rahmen der Abwicklungsarbeiten noch Bedarf bestand. Mit Schreiben vom 30. Juli 1998 kündigte sodann die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. August 1998. Im Anschluss daran kam es zu einer für die Zeit vom 1. September bis zum 31. Dezember 1998 befristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 1).

Die Beklagte zu 2) mit Sitz in … hat in der …straße eine Niederlassung. Sie führte den Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin in deren vormaligen...

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