Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Ausschlußfrist und unbestrittene Forderung gemäß einer Lohnabrechnung
Leitsatz (amtlich)
Auch der Hohe nach unbestrittene Lohnansprüche unterliegen tariflichen Ausschlußfristen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber in der erteilten Lohnabrechnung zum Ausdruck bringt, den ausgewiesenen Betrag nicht zahlen zu wollen.
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 03.08.1990; Aktenzeichen 36 Ca 187/90) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03. August 1990 – 36 Ca 187/90 – teilweise wie folgt abgeändert:
Die Klage wird auch im übrigen abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die 1936 geborene Klägerin trat am 13. Oktober 1989 als Reinigungskraft gegen einen vereinbarten Bruttostundenlohn von 12,– DM in die Dienste der Beklagten, die den Arbeitsvertrag der Klägerin am 26. Oktober 1989 fristlos kündigte. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der für allgemeinverbindlich erklärte Lohntarifvertrag für das Gebäudereinigungs-Handwerk Berlin vom 14. April 1989, gültig ab 1. Mai 1988, Anwendung.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 1989 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge für den Monat Oktober 1989, datiert vom 7. November 1989, über einen Gesamtbruttobetrag in Höhe von 873,– DM. In dem genannten Schreiben vom 18. Dezember 1989 heißt es unter anderem:
„Ihren erarbeiteten Lohn behalte ich noch ein, da Sie es noch nicht für nötig hielten, mir den Schlüsselbund mit zwei Sicherheitsschlüsseln vom Studentenwerk in der Wasgenstr. für das Haus 4 zu übergeben.”
Nach vergeblicher schriftlicher Mahnung vom 4. Mai 1990 hat die Klägerin die Beklagte mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 14. Mai 1990 eingegangenen Klage vom 4. Mai 1990, der Beklagten zugestellt am 23. Mai 1990, auf Zahlung Betrages in Höhe von 1.056,– DM brutto als Arbeitsentgelt für die Zeit bis einschließlich 27. Oktober 1990 in Anspuch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätte eine eintägige Kündigungsfrist einhalten müssen, da sie als Klägerin, keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung gehabt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.056,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15. November 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Ansprüche der Klägerin seien aufgrund der tariflichen Ausschlußfrist verfallen. Sie hat in diesem Zusammenhang behauptet, die Klägerin habe ihr anvertraute Schlüssel vom Kellerraum Haus Nr. 4 des Studentenwerkes Berlin nicht zurückgegeben, so daß sie 139,50 DM dem Studentenwerk Berlin habe erstatten müssen, um einen neuen Schlüssel zu beschaffen bzw. ein neues Schloß zu installieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Durch am 3. August 1990 verkündetes Urteil hat die Kammer 36 des Arbeitsgerichts Berlin die Beklagte zur Zahlung von 873,– DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15. November 1989 verurteilt Sie hat die Klage im übrigen abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 1.056,– DM festgesetzt. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteil verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 21. August 1990 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 21. September 1990 eingegangene Berufung der Beklagten, die sie mit weiterem beim Rechtsmittelgericht am 12. Oktober eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
Sie meint, der Klägerin stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch deshalb nicht zu, weil sie die tarifvertragliche Ausschlußfrist nicht eingehalten habe. Die Nettovergütung sei deshalb nicht zur Auszahlung gekommen, weil die Klägerin ein Schlüsselbund eines ihrer Auftraggeber nicht abgegeben habe. Insoweit sei von ihr ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend gemacht worden. In einem solchen Falle sei Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner nicht mehr die ohnehin unstreitige Forderung sondern die Frage, ob das vom Schuldner geltend gemachte Gegenrecht ihre Durchsetzbarkeit beseitige.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage auch im übrigen abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO statthaft Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht Berlin eingereicht sowie ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO. Das Rechtsmittel hat auch Erfolg. Aus diesem Grunde muß unter Abänder...